Kann man ein Haus „spielen“? So, dass Töne dabei herauskommen? – Anscheinend schon. Ich durfte letzte Woche für die Zeitung zur Performance „Resonanz – Der Klang öffentlicher Institutionen“. Ein tönendes Abenteuer, mit dem ich so nicht gerechnet hätte.
Eins vorab: Obwohl das Felix-Nussbaum-Haus in Osnabrück als Libeskind-Bau sicher zum ganzen Stolz der Stadt gehört, war ich in den ganzen 20 Jahren, die das Haus dort nun steht, noch nie darin. Umso interessanter war daher diese Reise um und durch das Gebäude. Aber am besten passt hier wohl der Text, den ich dazu für die Zeitung geschrieben habe. Aus irgendwelchen Gründen ist er nämlich online bisher nicht zu finden.
Von Frequenzen und Resonanzen
Wie klingt eigentlich das Nussbaum-Haus? Das durften Besucher der Performance „Resonanz – Der Klang öffentlicher Institutionen“ von Cellist Willem Schulz und dem Trio Geplante Obsoleszenz am Freitagnachmittag hautnah erleben.
Ob das surrende Brummen der Lampen, die kratzigen Unebenheiten des Rauputzes der Fassade, die glitschig glatt polierten Betonwände im Inneren und Äußeren des Hauses oder die Akustik in den eng verwinkelten Fluren und Ausstellungsräumen – jedes noch so kleine Detail, jede noch so schräge Frequenz wurde von den Künstlern vor den Augen der Besucher auf Herz und Nieren geprüft und ihre Materialität hörbar gemacht.
Anlässlich des 20. Geburtstags des Nussbaum-Hauses hatten die Besucher die Gelegenheit, die Architektur und Beschaffenheit des Libeskind-Baus einmal ganz anders zu erleben. Geleitet von einem Betreuerteam ging es für die etwa vierzig Teilnehmer auf eine zweistündige Reise zu insgesamt 24 Klang- und Performance-Stationen in, um, auf und unter dem Kunsthaus.
Mit Hilfe von Kontaktmikrofonen entlockte das Trio den Wänden, Fensterscheiben, Treppenstufen, Geländern, Gitterrosten, Lampen und Deckenverkleidungen überraschende bis verstörende Töne. Diesen gegenüber stand hier das oftmals sehnsüchtig melancholisch anmutende Cellospiel von Willem Schulz, der mit seinem Instrument sowohl Kellergewölbe und Ausstellungsräume als auch Flure und Außenbereiche erklingen ließ. Wer hätte gedacht, dass Müllcontainer oder der Heizungskeller des Nussbaum-Hauses eine passende Kulisse für ein Cello-Solo sein könnten?
Nasse Handtücher, die an glatte Betonwände klatschen. Conche-Muscheln, die wie ein Signalhorn vom Dach erklingen. Kistenweise Tischtennisbälle, die ein enges Treppenhaus hinunter stürzen und dabei rauschen wie ein Wasserfall. Eimerweise Glasmurmeln, die sich spitz mit dem Klang des Cellos mischen und an Starkregen erinnern. Oder das Cello, mit dem Schulz so eindringlich Boden und Rillen des Raums „Auschwitz“ bespielt, dass man unvermittelt an Maschinengewehrfeuer und Bombeneinschläge denkt.
Die Künstler haben es geschafft, mit ihren Klängen und gemeinsamen Performances den Besuchern die Seele des Felix-Nussbaum-Hauses nahe zu bringen und sie nicht nur klanglich in Winkel des Museums zu führen, die man so schnell nicht wieder sehen wird.
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