Osnabrück. Die Schlange vor dem Hyde Park windet sich vom Eingang quer über den Parkplatz bis weit hinaus auf den Fürstenauer Weg. 1700 Fans kamen am Mittwochabend, um das Nachholkonzert des Berliner Sängers Tim Bendzko mitzuerleben. Mit einer virtuos vielseitigen Show bewies der Sänger, dass er kein künstlich hochgejubeltes Medienphänomen ist, sondern allein durch sein Talent überzeugen kann.
Die Bühne ist in tiefblaues Licht getaucht. Die Menge jubelt, als der von vielen Fans lang ersehnte Abend mit den ruhig groovenden Tönen von „Du warst noch nie hier“ endlich seinen Lauf nimmt. Fast zwei Monate hatten sie auf diesen Moment warten müssen, da das Konzert im Januar wegen Krankheit verschoben werden musste.
Statt Tim Bendzko bekommt das Osnabrücker Publikum jedoch zunächst nur die sechsköpfige Liveband des Musikers zu Gesicht. Bendzko bleibt im Verborgenen, lässt seine gespannten Fans nur durch seinen Gesang wissen, dass er wirklich hier ist. Der Jubel ist ohrenbetäubend, als sich Bendzko endlich zu erkennen gibt. Als er sich dann auch noch offen für die Absage des ursprünglichen Konzerttermins entschuldigt, gibt es für die Menge zum ersten Mal kaum ein Halten mehr.
Bendzko gibt sich an diesem Abend erstaunlich vielseitig. Mit herzergreifenden Pop-Balladen wickelt er die überwiegend weiblichen Fans im Handumdrehen um den kleinen Finger, nur um im nächsten Moment wieder mit durch Hip-Hop beeinflussten, groovenden Tanznummern das Rhythmusgefühl seiner Zuschauer auf die Probe zu stellen.
Bendzko ist gut gelaunt und wirbelt gut bei Stimme über die Bühne. Die Töne sitzen, auch bei seiner Band. Diese unterstützt den blonden Lockenkopf mit beachtlicher Spielfreude. Wahre Multitalente hat sich der Berliner da zusammengesucht. Neben der Standardbesetzung aus Gitarre, Bass, Schlagzeug und Keyboard finden unter anderem regelmäßig Akkordeon, Cello und Orgel ihren Einsatz. Viele Stücke erreichen dank dieser großen Virtuosität eine unerwartet greifbare Tiefe.
Die Show folgt einer ausgefeilten Dramaturgie, mit der Tim Bendzko das Osnabrücker Publikum gute eineinhalb Stunden lang in seinen Bann zieht. Die Songtitel sind stets an der rechten Stelle platziert. So beginnt beispielsweise die Zugabe mit dem Titel „Viel mehr davon“, der von den Osnabrücker Fans mit strahlenden Gesichtern aus vollem Hals mitgesungen wird. Auch sie wollen mehr. Keine Nummer seines aktuellen Albums „Wenn Worte meine Sprachen wären“ fehlt, die Liste wird sogar noch um einige unbekanntere, alte Stücke erweitert.
Als absolute Highlights entpuppen sich die großen Chart-Erfolge des Sängers. Mit „Nur noch kurz die Welt retten“ will Bendzko auch kurz Osnabrück retten. Zur Überraschung holt er dafür den Rapper F.R. aus dem Vorprogramm auf die Bühne, der den Song mit fetzenden Raps auffrischt. Eine wohltuende Verjüngungskur für den fast totgespielten Titel. Während „Wenn Worte meine Sprache wären“ scheint es dann so, als hätte sich ein überdimensionaler Mädchenchor in den Hyde Park verirrt. Voller Inbrunst singt die begeisterte Menge jede Zeile mit, teils sogar beinahe lauter als Bendzko selbst. Dieser genießt die unerwartete Serenade sichtlich.
Tim Bendzko überzeugt an diesem Abend auf ganzer Linie. Er ist eben doch ein wahres Talent und kein künstliches Medienprodukt.