Maiwoche: Jupiter Jones rocken gegen Frostbeulen

Samstag, kurz nach 21 Uhr vor der Rosenhof Bühne am Herrenteichswall. Für einen kurzen Augenblick frage ich mich ernsthaft, ob ich mich nicht verlaufen habe, denn auf dem Platz vor der Bühne herrscht gähnende Leere – zumindest im Vergleich zum Vorabend, als Thomas Godoj hier seine DSDS-erprobte Fangemeinde bespaßt hat. Gerade steht die mir noch vollkommen unbekannte Chemnitzer Kombo Kraftklub auf der Bühne und versucht äußerst energiegeladen über Tatsache hinweg zu spielen, dass der erste Zuschauer direkt vor ihnen dort steht, wo gestern Abend in etwa Reihe 40 begann. Dazwischen gähnendes Nichts. 

Dafür herrscht unter der Handvoll Leute vor, oder besser gesagt in die Nähe der Bühne  trotz Sicherheitsabstands zur Band rege Tanzwut. Und das nicht nur um bei den gefühlten Weihnachtsmarkttemperaturen keine Frostbeulen zu bekommen. Das Spektakel der Jungs mit den schrägen Nerd-Brillen und College-Jacken klingt anders – jung und rotzig dynamisch. Irgendwo zwischen Indie Elektrorock, Fettes Brot und Atzen-Disco Pogo mit einer guten Portion Anabolika. Passend dazu der Titel ihrer ersten CD: Adonis Maximus. „Zugabe oder ich zieh mich aus!“ brüllt jemand dann am Ende des Sets. Mit so einer Drohung kann man eine Band natürlich auch wieder auf die Bühne zurück holen. Mit „Ich will nicht nach Berlin“, angeblich ungeprobt und noch nie live gespielt, verabschieden sich Kraftklub und machen den Weg frei für Jupiter Jones. 

Die brettern nach einer halben Stunde Umbaupause kompromisslos los. Inzwischen ist der Platz vor der Bühne auch nicht mehr wieder zu erkennen. Wo man vorhin noch die einzelnen Steinchen im Asphalt zählen konnte, stehen jetzt feierwütige junge Menschen so weit das Auge reicht. Von pogenden Punks bis zu knutschenden Pärchen sind alle ab dem ersten Ton dabei und feiern gemeinsam ausgelassen und recht feuchtfröhlich zusammen eine Riesenparty. Auch die Stagediver lassen nicht lange auf sich warten, so dass die Securities vorne im Graben alle Hände voll zu tun haben. 

Die Jungs von Jupiter Jones sind davon selber sichtlich begeistert und liefern mit Songs aus ihrem aktuellen Album „Holiday in Catatonia“ sowie den drei Vorgängern der Menge eine Rockshow, die sich gewaschen hat. Die Band aus Hamburg, Koblenz und der Eifel überzeugt neben eingängigen und mitreißenden Melodien ganz besonders mit ihren vollkommen ehrlichen, direkten deutschen Texten, die gespickt sind mit einer Menge bissig satirisch verpackter Gesellschaftskritik, aber gleichzeitig auch mit viel Humor und Gefühl. Gepaart mit ihrer absoluten Natürlichkeit ziehen die vier „Jungs vom Land“ so an diesem Abend fast jeden Besucher auf ihre Seite. 

Die Osnabrücker sind erstaunlich textsicher, gröhlen mit was das Zeug hält und verwandeln den Bereich direkt vor der Bühne zu einem wilden Hexenkessel, der sich auch vor größeren einschlägigen Festivals nicht verstecken brauch. Mit aller Macht gegen die Wintertemperaturen und vollem Körpereinsatz für die Musik. Als sich die Jungs nach knapp 80 Minuten verabschieden, werden sie von der Meute mit lautstarken Zugabe-Rufen auf die Bühne zurück zitiert. Dem Wunsch kommen die Herren gerne nach. Mit „Hallo Angst, du Arschloch!“ geht es noch mal richtig nach vorne. Bei „Jupp“ hingegen zeigen die (Wahl-)Hamburger, dass sie auch durchaus ruhige Töne anschlagen können – ganz ohne dabei ihren gesellschaftskritischen Biss zu verlieren. 
Die Masse hat sich bis zum Ende mehr als heißgetanzt – Frostbeulen muss heute Abend wohl keiner mehr befürchten.

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