Wo ist man, wenn es gefühlt von der Decke tropft, eine Sauna erfrischend klingt und man dank der Musik Muskelkater vom Dauergrinsen im Gesicht bekommt? Genau, bei Jimmy Eat World im Underground in Köln. Am Mittwoch haben die Herren aus Arizona dort eines ihrer Promo-Konzerte für ihr neues Album gegeben und ich durfte für LEISE/laut vorbeikommen.
Ich weiß noch genau, wie ich damals im Hyde Park in Osnabrück auf der Tanzfläche zum ersten Mal „The Middle“ gehört habe und jede Zeile der Lyrics wie ein Schwamm aufsog. Beim Tanzen. Zwischen hunderten Menschen. Inmitten der Rauchschwaden und verschwitzten Körper ergab für mein 17-jähriges Ich plötzlich alles wieder einen Sinn. Damals, 2001.
Jetzt stehe ich im ausverkauften Underground in Köln. Es ist Mitte September, draußen ist verspäteter Hochsommer, drinnen Dampfbad. Die Vorfreude macht mich innerlich schon ganz hibbelig. Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich Jimmy Eat World live gesehen habe, zuletzt beim Hurricane 2013. Das war schon wunderbar. Da kann es in so einem kleinen Club ja nur fabelhaft werden. Hoffe ich zumindest.
Mädels Punk aus Berlin
GURR aus Berlin sind als Support am Start. Auch wenn der Begriff „Girl Power“ für mich eigentlich ziemlich ausgelatscht ist, trifft er bei den zwei Damen den Nagel auf den Kopf. Rotzig frech, gut gelaunt, mega sympathisch und vor Energie strahlend, schreien sie dem Underground ihren Punk entgegen. Mädels, wenn Ihr mit Eurer neuen Platte hier in die Gegend kommen solltet, bin ich auf jeden Fall wieder am Start.
Das Underground ist jetzt schon so warm wie andere Venues nach dem Headliner. Ein Hoch auf den Biergarten. Meine Begleitung und ich schnappen draußen noch mal kurz Luft, um wieder fit für Jimmy Eat World zu sein.
Hot Yoga mit Jimmy Eat World
Dann geht es endlich los. Jimmy Eat World begrüßen uns mit ihrem neuen Song „Get Right“ vom kommenden Album Integrity Blues und treiben die Temperatur binnen weniger Sekunden gleich noch mal um ein paar Grad nach oben. Zu den Tönen von „Bleed American“ schlängeln wir uns durch die Menge zu meinem Lieblingsplatz im Underground – direkt auf das Podest am Mischpult. Man sieht alles und ist trotzdem mittendrin.
Jimmy Eat World sind bestens gelaunt und haben sichtlich Bock zu spielen. Das überträgt sich auch direkt auf das Publikum. Wir singen mit, hüpfen, tanzen, schwitzen. Dann „Big Casino“. Binnen Sekunden sehe ich mich wieder im Auto meiner damals besten Freundin in Southern Illinois, wie wir 2007 durch die einsamen Hügel des Giant City State Parks fahren und zum Schreiben, Denken, Fliehen auf atemberaubende Felsformationen klettern. Mein erster echter Gänsehaut-Moment des Abends, und wir sind erst bei Nummer 4 auf der Setlist.
Zwischen den Songs bemerkt Frontmann Jim Adkins, dass der Gig langsam einer Stunde Hot Yoga gleiche. Mit Hitze kennt die Band sich aus. In Arizona kommen einem 30 Grad auch schon mal kühl vor. Im Underground sind die längst deutlich überschritten. „Now it feels like Arizona in here“, scherzt Jim Adkins später noch mal. Sein schwarzes Hemd ist mittlerweile so nass wie nach einem Sprung ins Wasser. Ich werde wohl auch noch Muskelkater im Arm bekommen, weil ich mir gleichzeitig beinahe durchgehend mit einer Postkarte Luft zufächele. Auf der ist übrigens eine Weihnachtskugel abgedruckt. Welch Ironie.
Integrity Blues bis Clarity
Die Stimmung schadet das allerdings kein Stück. Ein Grinsen ist nicht nur mir fest ins Gesicht getackert. Das Underground feiert jeden Song der Setlist, die sich aus einer wunderbaren Mischung aus der neuen Platte Integrity Blues und den alten Highlights fast aller bisherigen Alben zusammensetzt. Damage, Invented, Chase This Light, Bleed American, Futures, Clarity. Viel mehr kann man sich in so kurzer Zeit gar nicht wünschen.
Nach vierzehn Songs verlassen Jimmy Eat World die Bühne. Natürlich kommen sie noch mal für eine Zugabe zurück. Den Club, in dem sie vor vielen Jahren ihren ersten Auftritt in Europa hatten, können sie ja nicht mit nur einer Stunde Konzert abspeisen. Mit „The Middle“ geht es in die nächste Runde. Wieder Gänsehaut bei mir, auch wenn das ob der Hitze eigentlich kaum noch möglich ist. Mit „Sure and Certain“ und schließlich „Sweetness“ verabschieden sich Jim Adkins und Co. vom Underground. Im November kommen sie wieder für ein paar Club Konzerte nach Deutschland. Da bin ich auf jeden Fall noch mal dabei.
Jimmy Eat World Tourdaten
12.11.2016 – Stuttgart, Wizemann
15.11.2016 – Hamburg, Große Freiheit
16.11.2016 – Münster, Skaters Palace
17.11.2016 – Wiesbaden, Schlachthof
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