Es gibt Songs, die muss man sofort weg skippen. Und dann sind da die, die man einfach auf Dauerschleife hören muss. Immer und immer wieder. Und anstatt nach dem dritten Mal fürchterlich zu nerven, machen sie etwas ganz anderes: Sie beruhigen.
Avril Lavigne – Head Above Water
Seit ein paar Tagen habe ich wieder so einen Song, den ich in manchen Situationen immer wieder rauf und runter höre: Avril Lavigne mit „Head Above Water“. Darin singt die Kanadierin über ihren Kampf mit „Lyme Disease“, oder Borreliose auf deutsch. Der Song lebt von einer extrem starken Melodie, einem verzweifelt hoffnungsvollen Text und Emotionen, die einfach unter die Haut gehen.
Gefangen im Song
In den letzten Jahren ist es bei mir immer wieder vorgekommen, dass bei mir nicht nur ein einzelnes Album in Dauerschleife lief. Dass man ein Album einige Male immer wieder direkt in Folge hört, halte ich jetzt nicht für besonders ungewöhnlich. Mir passiert das aber hin und wieder mit einzelnen Songs, die mich ab dem ersten Ton regelrecht fesseln und dann für eine ganze Zeit nicht mehr loslassen.
Ob das an einer Textzeile, dem Grundtenor, der Melodie, den Emotionen oder allem zusammen liegt, kann ich ich nicht mal genau sagen. Genauso wenig scheine ich die Auswahl bewusst beeinflussen zu können (siehe unten). Anscheinend triggert das meist eher zufällig entdeckte Stück im jeweiligen Augenblick irgendetwas in mir, klebt sich daran fest und lässt es erst wieder los, wenn alles wieder gut ist.
Aber warum?! Warum musste ich manches Lied dann im Extremfall zwei oder drei Stunden am Stück hören und mir damit jede iTunes- und Spotify-Statistik (oder früher das Last.FM-Profil) versauen?
Manchmal habe ich das Gefühl, dass sie auf abstrakte Art und Weise in diesem Augenblick gerade mein Innerstes widerspiegeln und mit jedem Hören das (emotionale) Chaos darin wieder ein kleines Stückchen mehr ordnen. Wenn ich dann den Punkt erreiche, an dem mir das Lied anfängt auf den Geist zu gehen, ist auch meistens der Punkt erreicht, an dem ich wieder klar(er) denken kann, Licht am Ende des Tunnels sehe oder endlich das Bedürfnis verflogen ist, mich vor Cringe und peinlicher Berührung am liebsten mit mit zugezogener Kapuze unter drei Bettdecken zu verstecken.
Meine extremsten Dauerschleifensongs
Wie Ihr Euch jetzt sicher vorstellen könnt, ist „Head Above Water“ von Avril Lavigne nicht der erste Song, der bei mir einige extreme Loopings drehen durfte. Und ehrlich gesagt ist er vermutlich nicht mal der am häufigsten hintereinander gespielte. Ok, wie auch, er ist ja erst zwei Wochen alt ;-). Meinen iTunes- und Spotify-Statistiken nach zu urteilen, stecken in meinen meistgehörten Songs einige von Bad Religion, Revolverheld, Foo Fighters, AFI, Goo Goo Dolls, Yellowcard und einigen anderen. Bei den folgenden vier Songs kann ich mich aber noch ganz besonders die Dauerschleifenepisoden erinnern:
Oasis – Stop Crying Your Heart Out
Ich weiß nicht mehr genau, ob es zum Abi 2003 oder zum Start meines Studiums in Ingolstadt war, oder zum Geburtstag 2004… oder zum zweiten Uni-Anlauf in Germersheim: Meine Cousine bastelte mir ein Care-Paket mit lauter niedlichen kleinen Dingen. Darunter auch eine CD: Heathen Chemistry von Oasis. Als es im Herbst 2004 nach Germersheim ging und ich im düster-kalten Nebel der Südpfalz versuchte, meinen Weg zu finden, hörte ich das Album auf meinem Discman rauf und runter. Irgendwann blieb ich an „Stop Crying your Heart Out“ hängen. Möglicherweise habe ich es sogar selbst gesungen. Und auf Gitarre gespielt. Aber das sind nur Gerüchte 😉
Goo Goo Dolls – Let Love In
Winterferien 2007. Es ist Dezember, kurz vor Weihnachten. Das erste Semester an der Uni in Carbondale, Illinois ist vorbei und hat Spuren hinterlassen. Ich liege lethargisch auf meinem Bett im Haus meiner Verwandten in Houston, Texas und versuche, mich und mein emotionales Chaos in den Griff zu bekommen. Mein Opa ist kurz zuvor gestorben, die Beerdigung habe ich um zwei Tage verpasst. In zwei meiner drei Uni-Kurse habe ich ein „Incomplete“ auf dem Zeugnis bekommen, die ich jetzt dringend in gültige Noten umwandeln muss. Um mich herum liegen unzählige Bücher zu Tattoos, die dafür gelesen werden sollen. Und dank diverser Begegnungen in Carbondale spult mein Kopf alle Cringe-Momente meines bis dato 23-jährigen Daseins auf diesem Planeten ab. „Let Love In“ bringt wieder ein wenig Ordnung in den Wahnsinn und gibt mir Hoffnung, dass doch alles irgendwann und irgendwie wieder gut wird.
The Band Perry – If I Die Young
2010. Ich stecke mitten im Scheine-Wahnsinn meines letzten regulären Semesters in Germersheim. Die Diplomarbeit will einfach noch nicht so richtig in Gang kommen und insgesamt bin ich unsicher, wo mich dieses Studium noch hinbringen soll. Dazu sind da noch die üblichen emotionalen Dramen, die man Mitte 20 durchlebt. Vermutlich stolpere ich durch meinen amerikanischen iTunes-Account und die Rubrik „Free on iTunes“ über „If I Die Young“. Das Video ist bei Youtube für Zuschauer in Deutschland gesperrt (Deshalb sehe ich es jetzt gerade auch erst zum ersten Mal… und finde es furchtbar ), aber hören kann ich das Lied trotzdem. Und aus welchen Gründen auch immer holt mich der kitschige Country-Song nach unzähligen Plays aus meiner Endzeitstimmung.
Welcome Home, Son – Radical Face
Immer noch 2010. Es ist Winter. Ich bin in die Bibliothek in Germersheim gezogen und kämpfe mich durch meine Diplomarbeit: Geisterfahrer vs. Phantomrider – Die Problematik der Übersetzung von Songtexten in der Popularmusik am Beispiel von Tokio Hotel. Und während ich mich so durch die Untiefen der Translationstheorie wühle und es solange wie möglich vermeide, Tokio Hotel wirklich zu hören, läuft im Hintergrund Radical Face mit „Welcome Home, Son“. Seit ich das Lied in der Nikon-Werbung gehört habe, geht es mir nicht mehr aus dem Kopf. Die Melodie und die kleinen Windspiele im Hintergrund beruhigen mich, verbinden sich mit dem Geruch staubiger Bücher und des alten Kachelofens in meinem Bibliotheksverlies… und fügen schließlich die chaotischen Analyse- und Synthese-Fetzen aus meinem Kopf zu lesbaren Absätzen zusammen. Das Ergebnis gibt es im Januar 2011: Bestanden mit 1,3.
Antje Schomaker – Bis mich jemand findet
Anfang 2017. Hatte ich wirklich sieben Jahre lang keinen extremen Dauerschleifensong mehr? Scheint so. Und plötzlich ist da Antje Schomaker mit „Bis mich jemand findet“. Der Song turnt so lange durch meinen Kopf, dass ich ihm sogar einen eigenen Blog-Post widme. Und er spricht wohl für sich, sodass ich die Gründe für die Dauerschleife wohl nicht weiter ausführen muss. Aber er macht gute Laune und zwar in einer Situation, in der gute Laune dringend nötig ist.
Was sind Eure Songs auf Repeat?
Erzählt doch mal, welche Lieder laufen bei Euch gerade auf Dauerschleife oder gehen Euch einfach nicht aus dem Kopf? Ich freue mich über Eure Kommentare! <3 Wenn genug zusammenkommen, bastele ich vielleicht eine Playlist daraus.