Morgen, am 7. April wird in Berlin wieder der Echo verliehen. Mit scheinbarer Glanz und Gloria werden die Stars und Sternchen der deutschen (und vielleicht auch internationalen) Musikbranche über den roten oder lila Teppich schreiten. Und ich bin eigentlich ganz froh, nicht live dabei sein zu müssen.
Hat sie den nun vollkommen den Verstand verloren? Als Musikblogger MUSS man da doch irgendwo sein, und wenn es nur irgendwo zwischen all den Autogrammjägern an der Seite vom Roten Teppich ist.
– Ja, so ähnlich habe ich eine Zeit lang auch mal gedacht. 2009 war ich live beim Echo dabei, sogar als VIP, und tatsächlich habe ich Anfang des Jahres auch noch mit dem Gedanken gespielt, mich spaßeshalber um eine Akkreditierung zu bemühen. Dank meiner Arbeit im Senegal bin ich dann doch irgendwie darüber hinweg gekommen. Und wenn ich mir so anschaue, wen die Köpfe des deutschen Musik Biz da dieses Jahr anhand der Verkaufszahlen wieder so nominiert haben oder nominieren mussten, bin ich einfach froh, mir das nicht in voller länge live auf unbequemen Stadionsitzen ansehen zu müssen.
Ich will jetzt gar nicht darauf eingehen, was einige der allein auf Verkaufszahlen und Chart-Platzierungen basierenden Nominierungen stellenweise über den Musikgeschmack der scheinbaren Mehrheit der deutschen Bevölkerung aussagen. Dass ich einige Acts persönlich nicht nur belanglos, sondern auch mehr als gruselig finde, sei einfach mal ohne weitere Erläuterung in den Raum gestellt.
Für manche Acts, die ich in den letzten Jahren bei Interviews und anderen Anlässen persönlich kennenlernen oder live erleben durfte, freue ich mich dagegen sogar tatsächlich sehr. Ganz ohne Sarkasmus oder Ironie sage ich: Hey, ihr seid nominiert, herzlichen Glückwunsch! Ich drücke Euch die Daumen.
Aber bei der Kategorisierung gibt es gleich ein paar Hühnchen zu rupfen…lieber Echo Pop, seriously?!
Da ist beispielsweise Helene Fischer mit ihrem fragwürdigen Weihnachtsalbum „Weihnachten“ nicht nur in der Kategorie bestes Album nominiert, sondern auch in Crossover (!). Wenn das Crossover sein soll, dann ist dieser hiermit offiziell tot. Beim Album des Jahres sitzen neben dem „Helenchen“ auch noch die Hansel von „Sing meinen Song“. Seit wann qualifiziert der Soundtrack einer tränenduseligen TV-Show mit Cover-Versionen dazu, als potenziell bestes Album des Jahres durchzugehen? Gefühlt ist das für mich so, als wäre die Bravo Hits 5932 da auch nominiert.
Wie versprochen beschränke ich mich in dieser Tirade nur auf die großen Klopper und erläutere meine kleineren, unverständlichen Fragezeichen und das zeitweilig auftretende Gähnen bei den Nominees der Kategorien Künstler/in Rock/Pop Inter/National, Schlager, Volkstümliche Musik, Hit des Jahres, Bestes Video oder Rock/Alternative International und co. nicht weiter. Sonst schreibe ich hier ja noch, wenn der Echo schon lange verliehen ist.
Für den Echo ist Italien in Deutschland.
Aber diese eine Sache, lieber Echo, verstehe ich einfach nicht. Christina Stürmer und Wanda sind als Künstlerin bzw. Band Rock/Pop International nominiert. Sie stammen aus Österreich, der Echo ist der Deutsche Musikpreis und nicht der Amadeus. Also alles soweit in Ordnung. Mit welcher Begründung und welcher schrägen Logik ist dann aber die nationalistische Südtiroler Band Frei.Wild als beste Band Rock/Alternative National nominiert? Ich bin verwirrt. Seit wann gehört Südtirol zu Deutschland? Sind die Geografiekenntnisse der Deutschen Phono-Akademie so lausig? Oder hat dort jemand etwa heimlich Machtergreifung gespielt und zumindest die Musikwirtschaft von Italien annektiert? Oder betreibt Frei.Wild etwa auch eine Briefkastenfirma in Deutschland? Gut, diese m.M.n. trotz aller Distanzierungen fragwürdige Kapelle neben AC/DC in der Kategorie Rock/Alternative International zu nominieren, wäre natürlich lachhaft gewesen. Aber warum nominiert man sie dann überhaupt?
Kurz um, in einigen Punkten fällt es mir einfach schwer, den Echo Pop heute so ernst zu nehmen, wie es einem Preis, der sich gerne als das deutsche Pendant zu den amerikanischen Grammys sieht, gebühren würde.
Aber hey, die Show ist ja noch da. Ein bisschen Glamour ist doch immer ganz nett… Oder? Die hat ja sonst nichts mit den Nominees zu tun.
::schweres Seufzen:: Wenn ich eine Sache in den vergangenen 10 Jahren gelernt habe, dann ist es, dass live fast nichts so ist, wie es im Fernsehen aussieht. Was vor dem Fernseher langweilig ist, ist vor Ort garantiert doppelt so langweilig. Zu Hause kann man sich wenigstens in der Jogginghose auf die Couch fläzen oder mal kurz um die Ecke gehen. In der Liveshow darf man je nach Sitzplatz und Situation den Ort nicht verlassen – Lücken im Publikum sind schlecht fürs Bild und bedingen im Zweifel Anschlussfehler. Also sitzengeblieben. Und bei der xten Dankesrede der Kastelruther Spatzen kann so ein schmaler Hallenstuhl schon ganz schön unbequem werden. Für die Live Acts im Halbplayback lohnt es sich meiner Meinung nach auch nicht unbedingt, nach Berlin zu fahren. Insgeheim warten die Künstler in der Halle auch alle nur darauf, dass endlich die After Show Party beginnt 😉
Kurzum, ich werde mir den Echo gemütlich und entspannt von der Couch aus ansehen und fleißig twittern (@leiselaut). Wer mag, folgt mir. Und wer weiß, vielleicht überrascht man mich ja noch 😉
Der ECHO 2016 läuft am 7. April live ab 20.15 Uhr im Ersten.