„Song for Zula“ von Phosphorescent – 05:47 Minuten Freiheit

„Manchmal braucht man einen Song, der einem das Gefühl gibt, dass man Recht hat. Da passt dann einfach alles – plötzlich fühlt man sich maximal leicht.“ „Song for Zula“ von Phosphorescent ist so einer. Einer, bei dem alles gut wird.

In einer Zeit, in der ich mich versuche, pausenlos selbst zu optimieren und meine Zeiten einteile, in der ich – so wie Peer es einst in Schutzraum sagte – meine Arbeit mit nach Haus’ nehme und an mir selbst arbeite – in dieser Zeit fällt es schwer, Pausen zu machen und einfach einmal durchzuatmen.

Das liegt nicht daran, dass es keine Pausen gibt. Das liegt daran, weil ich mir einfach keine Zeit für eben solche nehme. Beim Schlendern durch die Stadt: Mails checken. Beim Abendessen: WhatsApp beantworten. Auf dem Fahrrad: Mailbox abhören. Im Auto: So viele Kundengespräche wie möglich abtelefonieren – sonst ist die Zeit ja im schlimmsten Fall verschwendet!

Ist sie nicht. Ganz und gar nicht. Aber es hat jetzt von 2012 bis 2016 gedauert, bis mir das überhaupt mal aufgefallen ist.

Auf dem Weg nach Berlin, mit einem Kollegen in seinem Wagen, klingt Phosphorescent aus den Boxen. Ich kenne, ja liebe Phosphorescent sogar. Die Band war nie weg oder aus meinen All Time Favourites gestrichen – bloß versteckt. In einer dieser virtuellen Schubladen in der ich auf jede Platte, die ich lange nicht gehört habe, einen digitalen Post-It mit “Hör’ ich später nochmal; Keine Zeit” geklebt habe. Es sieht schlimm aus, da drin. “Keine Zeit” ist einfach nur eine Ausrede dafür, dass einem etwas anderes wichtiger gewesen ist, habe ich kürzlich gelernt. Das ist auch völlig in Ordnung, nur macht man sich mit “Keine Zeit” einfach selber etwas vor.

Wer ist Phosphorescent?

Hinter Phosphorescent steckt der Singer-Songwriter Matthew Houck, der das Projekt 2001 ins Leben gerufen hat. Seitdem tauchten viele seiner Songs in Filmen oder Abspännen auf. Vor einer kleinen Weile, im Februar 2015, veröffentlichte er das Album “Live at the Music Hall” und schrieb dazu auf seiner Homepage:

“In any case

However you hear it
I hope you dig this album.
These were special shows
and I’m so glad to be able
to share ‚em with you.”

Diese geteilten Momente haben einige Zeit auf sich warten lassen und lohnen ein Reinhören deshalb umso mehr. Manchmal ist es eben besser, sich mit Dingen einfach mehr Zeit zu lassen – das weiß auch Matthew Houck, der an seinem Album “Muchacho” aus 2013 überdurchschnittlich lange mit vielen Top-Musikern feilte.

Wir sitzen also im Auto, der Phosphorescent Song läuft und der stetige Drang meinerseits sich über Arbeit und Umstände auszutauschen verfliegt völlig. Ich starre geradeaus und plötzlich ist der Song vorbei. Keine Ahnung, was die letzten 05:47 Minuten passiert ist. “Mach das nochmal an”, sage ich. Wir hören den Song nochmal. Und nochmal. Dann sagt mein Fahrer “Ok, ist jetzt auch gut.” – Aber mein Herz will mehr, mehr von diesem einen Song. “Song for Zula” von Phosphorescent mit seinem eingängigen Beat, mit seinen zarten Streichernuancen, mit dieser unverkennbaren Stimme – mit seiner Vollkommenheit.

Ich habe kürzlich einen Comic gesehen, in dem das Hirn einen Kopfhörer trägt und sagt “Hey, this seems to be a cool song. Maybe my new favourite.” und das Herz entgegnet “Yeah, let’s listen to it so many times, that we start hating it.”

So in etwa funktioniere ich auch.

Nach Ankunft in Osnabrück habe ich mir den Song direkt gekauft, dann noch bei Spotify in die Playlist gepackt, den Download auf das Handy gezogen. Beim Material sichern höre ich “Song for Zula” noch circa sechs Mal. Was ist los mit mir? Ich weiß es nicht.

Der Song fühlt sich einfach für meine derzeitige Lage genau richtig an. Auf dem Fahrrad in die Stadt ist das Tempo ideal, beim Fotos bearbeiten merke ich nicht, wie ich mich in Gedanken verliere. Und dann fühle ich mich plötzlich noch viel mehr bestärkt in meinem Tun und Handeln, weil ich das erste Mal so richtig auf die Lyrics achte:

“Nor lay my face to the soil, nor my teeth to the sand
I will not lay like this for days now upon end
You will not see me fall, nor see me struggle to stand
To be acknowledged by some touch from his gnarled hands.”

Puh! Fühlt sich an, wie ein Befreiungsschlag, denke ich mir. Ich bin stark, ich schaffe das alles schon. Schluss mit dem Zweifeln, es wird schon alles gut gehen.

Manchmal braucht man einen Song, der einem das Gefühl gibt, dass man Recht hat. Da passt dann einfach alles – plötzlich fühlt man sich maximal leicht.

Und jetzt höre ich diesen Song auf den Weg zu meinen Eltern und bin tiefenentspannt. Ich gehe nicht ans Telefon, rufe Niemanden an.
Im Flieger höre ich den Song und schaue aus dem Fenster, schlafe manchmal sogar zu ihm ein. Wenn es regnet, verstärkt “Song for Zula” meine Depression, wenn die Sonne scheint, fühlt sich um mich herum alles zufrieden an.

Aber egal wo oder wann ich den Song höre, er gibt mir das Gefühl von Freiheit – und noch viel wichtiger: Das Gefühl frei zu sein, in dem was ich tue.

Wieso es bis 2016 gedauert hat, bis mir so etwas über den Weg gelaufen ist, weiß ich nicht. Und wieso bei allen Bemühungen das letzte Jahr so gut wie möglich zu verdauen, plötzlich ein Song reicht um mir das Gefühl zu geben, dass es an der Zeit ist, zu akzeptieren und hinzunehmen, kann ich Euch nicht sagen. Aber was ich weiß, ist, dass egal was für ein Gewitter irgendwann über mir aufziehen sollte, ich mir diese 05:47 Minuten mit Kopfhörern in meiner Blase nie mehr nehmen lassen werde.

Komme was wolle. Komme wer wolle. Ich bin bereit. Bereit für eine Auszeit.

2 Kommentare auch kommentieren

  1. Xxxx sagt:

    Der Song ist tatsächlich gut…und tatsächlich beruhigend und iwie…creepy ^^ beeinflusst er vielleicht iwie den Herzschlag oder so? 😉

    Was anderes:
    Hast du tatsächlich Depressionen oder war das nur so eine art Redewendung? Ich kann es mir bei dir irgendwie nicht vorstellen…leider weiß ich das davor niemand gefeit ist!
    LG aus der Nähe

    1. Lieber Xxxx, danke für deinen Kommentar 🙂 Wenn du meinen Bloggern solch persönliche Fragen stellen möchtest, solltest du der Fairness halber wenigstens deinen Namen angeben. Keiner unterhält sich gerne mit einem Phantom. So hat das schon ein bisschen was von Richtung Axtmörder 😉 Und das bist du ja sicher nicht, oder? LG, vermutlich auch ganz aus der Nähe, Katharina

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