Wie ich vorhin bei Facebook lesen durfte, steht es nun fest: Auf der Maiwoche Osnabrück 2016 wird es keine Timezone-Bühne mehr geben. Damit verliert das Stadtfest auch noch den letzten Rest musikalischer Individualität. Hallo noch mehr Coverbands, hallo noch mehr Ballermann! Holla die Waldfee, ist mir schlecht!Eigentlich bin ich kein Fan von „Früher war alles besser“-Tiraden, aber im Fall der Osnabrücker Maiwoche entspricht das leider der Wahrheit. Früher konnte man sich sicher sein, bei dem Marathonstadtfest mindestens drei Band-Highlights aus unterschiedlichsten Genres umsonst und draußen kredenzt zu bekommen; erst auf der Bühne am Kamp, später am Herrenteichswall.
Casper, Kraftklub, Jupiter Jones, The Boxer Rebellion, Pohlmann, Johannes Oerding, Felix Meyer, The Baseballs, Wise Guys, Monsters of Liedermaching, Lotto King Karl, Christian Steiffen, Tomte, Kettcar, Liquido, Such a Surge, Wirtz, Tonbandgerät, Die Happy, Madsen, Schrottgrenze, Boozed, Tito & Tarantula, Muff Potter, Die Sterne und Rantanplan sind nur ein paar der Bands, die ich in den vergangenen Jahren dort gesehen habe (die Sachen aus den 90ern lasse ich aus Platzgründen weg).
Seit 2013 gibt es aus verschiedenen Gründen die Goldrush-Bühne am Herrenteichswall nicht mehr. Seither fehlt der Maiwoche das Aufgebot bekannter Bands, das das Stadtfest gerade für musikinteressierte junge Leute aus der Gegend fast immer zu einem Highlight machte. Für mich war die Maiwoche immer eine perfekte Einstimmung auf die Festivalsaison und eine gute Möglichkeit, neue Bands zu entdecken, die man dort noch einmal sehen konnte. Dem war später meist nicht mehr so.
Zum Glück gab es daraufhin noch die kleine Bühne des Osnabrücker Labels Timezone, welches sich redlich bemühte, mit einem qualitativ hochwertigen Alternativprogramm aus kleineren Bands dem Ballermann-Schlager-Schützenfest-Einheitskack aus dem Alando Maidorf und den zigtausend Top40-Coverbands der anderen Bühnen die Stirn zu bieten. Gerade im vergangenen Jahr verbrachte ich dort so manchen Abend auf der Terrasse hinter L&T und sah viele gute und ein paar weniger gute Auftritte.
Jetzt kam vorhin bei Facebook also die Nachricht, dass Timezone in diesem Jahr keine Bühne auf der Maiwoche stellen kann. Die Fläche hinter L&T steht aufgrund erneuter Umbauten des Modehauses nicht mehr zur Verfügung. Als Ausweichfläche wurde dem Label der Ledenhof angeboten. Jedoch sind die Kosten aufgrund der wesentlich größere Fläche und einer bestehenden Quadratmeter-Pauschale um ein Vielfaches höher und für das kleine Label so nicht stemmbar.
Hier der Facebook-Post von der Timezone-Bühne:
Maiwoche Timezone-Bühne ist GeschichteLiebe Freunde der Maiwochen Timezone-Bühne, wir haben euch eine traurige…
Posted by Maiwoche Timezone-Bühne on Thursday, February 4, 2016
Maiwoche nur noch Retortenquatsch?
Mit dem Aus der Timezone-Bühne gibt es für mich kaum noch einen Grund, überhaupt auf die Maiwoche zu gehen. Als Musikliebhaberin macht mich diese Entwicklung zutiefst traurig. Da das neue Programm noch nicht vorliegt, kann ich gerade nur vermuten, wie es in diesem Jahr aussehen wird. Aber dank der letzten Jahre weiß man schon, worauf man sich einstellen kann. Helene Fischer-Cover, ein Haufen Top 40, Aprés Ski, Schlager-Pop, zweifelhafte Comedy und irgendeine Blaskapelle aus Hintertupfingen ist sicher auch noch dabei. Damit rangiert die Maiwoche aus musikalischer Sicht nun endgültig auf dem untersten Level des provinziellen Mittelmaßes und ganz oben in der kleinbürgerlichen Austauschbarkeit. Ob man jetzt den Abend auf der Landjugendfete am hintersten Fleck des Landkreises oder in einem der Mai“Dörfer“ verbringt, macht nun wohl keinen Unterschied mehr – mal abgesehen von den Getränkepreisen.
Vielleicht mache ich einfach auf meinem Balkon zur gleichen Zeit ein akustisches Alternativprogramm und poste die Videos davon bei Youtube. Alle Bands, die bei so einer verrückten Sache dabei wären, dürfen sich gerne melden.
EDIT, 5.2.16: Ich wurde gestern im Laufe des Tages gefragt, was ich denn von der Bühne auf dem Marktplatz halten würde. Die sei doch gar nicht so schlimm. Da gebe ich den Fragenden auf jeden Fall Recht. Dort bekommt man jedes Jahr musikalisch hochwertige Unterhaltung geboten, allerdings ist diese einfach auf eine andere Zielgruppe ausgerichtet, zu der ich mich einfach größtenteils (noch) nicht zähle und die meisten Besucher der Timezone-Bühne genauso wenig.
Am falschen Ende gespart
Dass überall die Mittel knapp sind, dass auch die Maiwoche wirtschaftlich arbeiten muss usw. … alles geschenkt. Und es war seitdem ich Anfang/Mitte der 90er die Maiwoche besuche auch immer so, dass auf den Bühnen mitten im Geschehen „Musik“ für den Geschmack der breiten Masse gespielt wurde. Auch das ist völlig ok. Wobei: Eher irgendwelche Coverbands die nicht etwa möglichst viele Besucher anlocken, sondern eher möglichst wenige von den Maibowleständen wieder vertreiben, denn wer sucht sich im Programm schon explizit eine TOP 40 Band aus? Anders aber immer bei den „Nebenbühnen“, allen voran früher am Herrenteichswall (ganz früher auf dem Parkplatz am Kamp) wo durchaus bekannte Bands auftraten, aber auch immer als Support viele Newcomer, die man für sich entdecken konnte. Unvergessen der Abriss von SUCH A SURGE oder gar der Abbruch der Show bei den DONOTS (da konnte dann keiner mehr sagen, dass diese Bands nicht genug Publikum anziehen, im Gegenteil). Natürlich ist das Publikum, dass sich solche Bands anschaut nicht so zahlungskräftig und bringt schonmal sein Bier mit. Aber es ist bezeichnend, dass nun keiner der Osnabrücker Konzertveranstalter mehr in ein Großevent wie die Maiwoche involviert ist und es sogar explizite musikalische Gegenangebote, z.B. mit einem Extraprogramm im Bastard Club gibt. Das ist sehr löblich, aber wie genial wäre z.B. eine Bastard Stage als Teil der Maiwoche? Macht natürlich niemand, der Angst haben muss sich damit finanziell komplett zu ruinieren. Seit nunmehr 20 Jahren denke ich jedes Jahr das Programm können nicht schlechter werden und immer gab es noch Platz nach unten. Mit dem Wegfall der Timezone Bühne dürfte nun wirklich der Tiefpunkt erreicht sein. Also auf zum „Essen Original“ oder „Bochum Total“
Gut gesagt, Karsten!