Haltet Eure Hüte fest: LEISE/laut ist für all Euch liebe Leser auf dem Hurricane Festival 2014 in Scheeßel im „Sturm“ unterwegs. Das ganze Wochenende über halte ich euch hier mit jeder Menge Festival Schnack im Live-Blog-Style auf dem Laufenden. Also guckt gerne immer mal wieder rum. Highlights heute: The Wombats, The 1975, Kraftklub, Dropkick Murphys, Pixies, Bosse, Interpol, Lily Allen und Belle & Sebastian.
Wie es am Freitag war, lest Ihr hier.
12:24 Uhr:
Seid Ihr alle auch so gut ausgeschlafen wie ich? Die Festival-Prinzessin hat in ihrem Schloss so gut wie wohl noch nie beim Hurricane genächtigt. Nachdem in den Kombi-Gemächern gemütlich den Soundcheck von Kraftklub hören konnte und den Anfang von Tonbandgerät doch glatt verpasst habe, bin ich aber doch noch durch die Staubwüste ins Pressezelt geritten. Das Wetter und die Aussichten sind so typisch fürs Hurricane wie sie nur sein könnten: kühl, heiter bis wolkig und windig. So stand dann auch über Tonbandgerät eine riesige schwarze Wolke über dem Hurricane-Gelände, die aber ihren Inhalt Gott sei Dank noch zurückhalten konnte. Dabei würde ein bisschen Regen dem Staubwind gar nicht schlecht tun.
Der heutige Samstag ist für mich vom Line-Up her ein regelrechter Erholungstag. Es gibt nur wenige Bands, die ich wirklich unbedingt sehen möchte. Das soll jetzt nicht heißen, dass das Programm heute nicht so gut wäre. Eher das Gegenteil. Es sind nur einfach unglaublich viele Bands dabei, die ich alle schon mehrfach live gesehen habe und ich mir einfach noch nicht sicher bin, ob ich mir die Damen und Herren wieder antue, oder einfach mal die Gunst der Stunde nutze, um den Campingplatz zu erkunden. Oder Camp FM zu besuchen. Die richtigen Festivalgeschichten finden schließlich am Zelt statt und nicht unbedingt vor der Bühne 😉 Nichtsdestotrotz, hier wird es heute wieder jede Menge kurzer Konzertberichte und Festival-Sichtungen geben.
„Gute“ Fotos, also welche aus meinen großen Kameras, muss ich Euch heute leider weiterhin vorenthalten. Der Staub tut den Kindern einfach nicht gut und ich möchte dafür Euch dafür lieber demnächst wieder ein paar Konzertfotos zeigen. Die darf ich mit meinem Gelände-Fotopass hier auf dem Festival eh nicht machen.
Bis später!
12:58 Uhr:
Durch die Kackophonie der drei Bühnen, die sich hier über dem Pressezelt ausbreitet, höre ich gerade die ersten Töne von Dillinger Escape Plan. Das klingt gar nicht schlecht. Das höre ich mir mal näher an 😉
13:26 Uhr:
Man kann sich auch irren. Dillinger Escape Plan sind zwar gerade rein technisch echt nicht schlecht, aber einfach eine Nummer zu hart für mich zu so früher Stunde. Stattdessen werde ich jetzt mal zur Blue Stage rüberlaufen. Dort spielen in ein paar Minuten To Kill a King. Nach Folk-Pop aus England ist mir gerade mehr, als nach voll auf die 12-Musik.
13:47 Uhr:
Stopptanz mit To Kill a King. Die Jungs aus England sind am frühen Nachmittag doch einfach eher meine Wellenlänge als Dillinger Escape Plan. Mit ihren treibenden Beats und Ohrwurmmelodien sowie der honigsanften Stimme des Frontmanns, sind sie genau das richtige um locker in den Festival-Tag zu starten. Streckenweise erinnern sie mich leicht an The Fray, auf gute Art und Weise.
Das sympathische Quintett hat sichtlich Spaß bei seinem ersten richtigen Festivalauftritt in Deutschland und heizt das relativ kleine Publikum gut an. Man tanzt, hüpft und lasst es sich gutgehen. Als lustiges Zwischenspiel gibt es noch ein Stopptanzspiel mit den Zuschauern. Kindergeburtstagsspiele sind einfach immer gut, vor allem beim Hurricane. To Kill a King kommen bald auf Deutschlandtour. Die kann ich euch nur empfehlen. Sympathisch und musikalisch wertvoll.
14:05 Uhr:
Und dann haben To Kill a King doch tatsächlich noch eine echte Überraschung im Gepäck: Plötzlich steht der Chart-Überflieger Bastille mit der Band auf der Bühne und singt mit ihnen gemeinsam über Blumen. Oder zumindest sehr schöne, überaus harmonische uuhuhuuus als Begleitung. Die Menge ist begeistert, einige Mädchen kommen gar gerannt, um das Spektakel zu sehen.
14:35 Uhr:
Eigentlich wollte ich mir Current Swell oder Circa Waves noch angucken, aber das Internet streikte beim letzten Post und so verpasse ich sie gerade. Dafür höre ich aus 40 Meter Entfernung neben mir das Crossover-Gewitter von Skindred. Die donnern hier über das Festival, sodass sich die kleinen Sturmböen eigentlich gleich wieder nach Hause fahren könnten. Skindred liefert auch hier wieder genau die Partystimmung, die man von ihnen gewohnt ist. Der Frontmann gibt sich dem Publikum gegenüber genauso rotzig und krude wie eh und je. Passend zur Musik. Dafür feiert die Meute die exzentrisch laute Bande frenetisch und tanzt mit ihr den Harlem Shake. Ich bin mir sicher, an der Hälfte der Staubwolken in der letzten Dreiviertelstunde wurden direkt vor der Green Stage aufgewirbelt.
Jetzt geht’s erst mal zu Twin Atlantic zurück auf die Blue Stage. Es scheint mir gerade so, als ob sich das heutige Programm auf musikalischer Ebene doch noch als stärker als gedacht entpuppt. Immerhin habe ich schon mal eine Band neu für mich entdeckt. To Kill a King.
15:11 Uhr:
Nächste Neuentdeckung für mich persönlich: Twin Atlantic. Den Namen hatte ich zwar schon hin und wieder mal gelesen, könnte damit aber keinen Sound verbinden. Aber wie großartig sind diese Jungs denn bitte?! Tolle Melodien, sehr abwechslungsreich in der Aufmachung und ähnlich wie To Kill A King unglaublich sympathisch. Das schottische Quartett erinnert ein bisschen an Biffy Clyro, und macht mitreißenden, emotionalen Rock, der zwar Indie ist, aber nicht im heutigen Indie-Einheitsbrei untergehen würde. Noch eine Band, die auf meine „Must-See-Show“-Liste kommt.
Faszinierend ist auch, dass man sich die Songs auch gleich unglaublich lebendig in kleinen Clubs vorstellen kann, gleichzeitig aber auch in ausverkauften Stadien. Ich bin gespannt, was aus den Jungs noch wird. Hier beim Hurricane absolvieren sie ein wunderschönes Set, das gleichermaßen zum Feiern und Tanzen als auch zum Träumen einlädt. Ein paar Seifenblasen schweben dazu über den teilweise tatsächlich blauen Himmel. Wie schön!
15:30 Uhr:
In einen ähnlichen Reigen passen auch die Herren von Balthazar auf der Red Stage, auch wenn die sicher eher so im leicht experimentellen Indie verlaufen. Ich sehe nur zwei Songs, fühle mich aber nicht so sehr mitgerissen und laufe lieber wieder zur Green Stage, wo Zebrahead in gewohnter Manier zockt.
Bei Zebrahead muss man wirklich in alt gewohnter Manier sagen, denn irgendwie sind doch fast alle Auftritte der Punkrocker gleich oder zumindest sehr ähnlich, seit ich sie 2006 zum ersten Mal gesehen habe. Das finde ich nicht unbedingt schlimm, denn wenn man auf die Art Mucke wirklich steht, weiß man was man erwarten kann. Zebrahead sind immer für eine fette Party am Nachmittag gut. Circle Pits für jedermann (hier bin ich 2006 auch mein erstes Circle Pit mit gerannt), Saufsongs zum Schunkeln zwischendurch und dann wieder voll auf die zwölf Moshen was das Zeug hält. Und trotzdem immer gut gelaunt und positiv gestimmt dabei.
Einem Fotografenkollegen gefällt das Set von Zebrahead ganz und gar nicht. Das sei nur Krach und Zebrahead eine schreckliche Band. Dem stimme ich nicht zu, allerdings finde ich auch, dass sie sich mal ein bisschen was neues einfallen lassen könnten. Trotzdem, ihr letzter Song „Anthems“ ist eine absolute Bank, auch nach so vielen Jahren. Es gab schließlich einen Grund, weshalb der Song lange Zeit mein Myspace-Profil beschallte 😉
15:57 Uhr:
If you’re going to Hurricane Festival, be sure to wear some flowers in your hair. Fast hätte ich vergessen, Euch dieses Foto zu zeigen. Ein kleiner Festival-Fashion-Trend sind in diesem Jahr definitiv Blumen im Haar. Auch die Hipster-Mädchen haben anscheinend ihren inneren Hippie gefunden und wickeln sich Drahtgeflechte und Gummibänder mit Blumenschmuck um ihr Haupt. Nette Lösung für diejenigen, denen die Vollvermummung im Karnevalskostüm aus Plüsch eine Nummer zu hart ist.
16:18 Uhr:
Während ich so darauf warte, dass das Internet mir endlich zwei Fotos zukommen lässt, die ich mit meinem Handy geschossen habe, höre ich aus der Ferne die Beats von Fünf Sterne Deluxe. Auf mich wirkt das gerade irgendwie sehr einschläfernd. Habe ich die als Teenager wirklich mal rauf und runter gehört? Schwer zu glauben. Aber na gut, ich höre sie gerade nur aus 200 Meter Entfernung. Direkt vor der Bühne ist gerade sicher Top-Stimmung und es hört sich bestimmt 1000 Mal besser an als von hier aus.
16:37 Uhr:
Die Bilder sind online und Augustines habe ich auch schon so gut wie verpasst. Also laufe ich doch mal zu den Donots. Ein bisschen was Gewohntes muss heute ja auch mal sein 😉
17:10 Uhr:
Eine ähnlich sichere Bank auf Festivals wie Zebrahead sind einfach die Donots. Nur in besser. Die Jungs aus Ibbenbüren wissen gerade in ihrem 20. Band-Jahr, wie mein ein Publikum der Größe Green Stage Hurricane um den Finger wickelt und zu Höchstleistungen antreibt. Nicht nur ein Moshpit sondern gleich fünf, sechs, sieben, acht? Bei den Donots auf dem Hurricane gar kein Problem. Staubraketen, obwohl die Luft schon so dick vor lauter Dreck ist, dass man kaum noch atmen kann? Für die Donots macht das Publikum alles.
Ähnlich wie bei Thees Uhlmann gestern ist es auch bei den Donots die authentische Freude, Herz und Dankbarkeit der Ibbenbürener Jungs, die einem einfach ein dickes Grinsen ins Gesicht treibt. Zusätzlich zur Musik natürlich. Welche Band schreibt auch schon mal eben so einen eigenen Song für ein Festival? Das Hurricane Festival hat nun dank der Donots einen. Auch dafür feiert das Hurricane die Ibbenbürener ab. Bis weit hinten aufs Gelände werden die Songs so laut mitgegrölt, dass sich manch ein Headliner eingeschüchtert hinter Mamas Rock verstecken müsste.
17:35 Uhr:
Auch wenn Bastille wirklich eine umwerfende Stimme hat, werde ich den Herren heute ausfallen lassen. Wenn ich es nicht täte, würde ich The 1975 verpassen, und da wäre ich völlig untröstlich. An denen liegt mir schließlich was, im Gegensatz zum Radiogedudel von Bastille.
17:54 Uhr:
Und just als ich mich auf den Weg zu The 1975 machen will, kommt einige Fotografen aufgeregt ins Pressezelt gelaufen und kramen hektisch nach ihrem Regenzeug. „Da hinten ist eine große schwarze Wolke“, höre ich einen sagen. Regen ist im Zwielicht des Zelts noch nicht zu erkennen. Doch dann öffnet der Himmel seine Schleusen und für einige Minuten ergießt sich eine Wasserwand über dem Hurricane. Nachteil: Ich verpasse den Anfang von The 1975 (und hoffe, dass ich überhaupt noch ins Zelt reinkomme). Vorteil: Der Staubanteil in der Luft ist endlich wieder auf einem halbwegs erträglichen Level. Auch wenn das vermutlich nicht allzu lang so bleiben wird.
In braunen Bächen läuft das Wasser über das Zeltdach des Pressebereichs beim Hurricane Festival. |
18:27 Uhr:
Wenn es The 1975 schon in den 1980ern gegeben hätte, wären sie womöglich die Band meiner Kindheit geworden. Ich bin mir nicht sicher warum, aber ihr Sound aus vielfältigen Synth-Arrangements, Gitarren und der relativ hohen Singstimme versetzen mich auf einen Schlag mit einem wohligen Kribbeln zurück in meine Kindergartenzeit. Die neben der Bühne aufgestellten Seifenblasenkanonen tun ihr Übriges. Auf einmal möchte ich jetzt sofort auf dem Bauteppich spielen oder Einhörner zeichnen. Letzteres wünschen sich vielleicht sogar ein paar andere Mädchen aus den ersten Reihen, schließlich passt das in ihre kleine bunte Hipster-Welt.
Die Jungs aus Manchester sind mit jeder Zelle ihrer Körper bei der Sache und besonders der charismatische, leicht androgyn wirkende Sänger weiß mit seiner charmanten, leicht schüchternen Art zu verzaubern. The 1975 könnten noch einige Festival-Auftritte bevorstehen, und dann auf den größeren Bühnen, wenn sie weiter so begeistern. Das Publikum vor der White Stage im Zelt ist jedenfalls vollkommen aus dem Häuschen und feiert die Band mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Besonders als „Dance“ und „Sweet like Chocolate“ ertönen, hat man das Gefühl, die Menge wolle The 1975 gar nicht mehr nach Hause gehen lassen.
Die Seifenblasen bei The 1975 auf der White Stage sorgen für zauberhafte Atmosphäre. |
18:58 Uhr:
Als ich von der Zeltbühne zurück ins Pressezelt laufe, höre ich noch die letzten zwei oder drei Songs von den Broilers, die derweil auf der Green Stage gastierten. Und ich muss zum ersten Mal sagen, dass mir gefällt, was ich da höre. Bisher konnte ich mich für die Truppe nie so recht erwärmen, der Funke wollte einfach nicht überspringen. Aber gerade eben hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, ja, ich verstehe, was ihr alle so toll an denen findet. Für einen kurzen Moment hatten sie mich auch gepackt, der Funke hat auf jeden Fall an meinem Ärmel gezupft.
Schöne Aussichten: Auf dem Weg aus dem Zelt hinaus, blinzelte mir die Sonne durch das Hurricane-Riesenrad entgegen. |
19:27 Uhr:
Und jetzt etwas ganz Verrücktes: Ich lasse The Wombats und die Dropkick Murphys ausfallen und gehe heute zum ersten Mal zurück auf den Zeltpatz. The Wombats tun zwar wirklich weh (ich höre sie die ganze Zeit schon in der Ferne und sie klingen so super wie immer), aber auch ich brauche mal eine Pause… und vor allen Dingen Bedenkzeit, in der ich mich entscheide, ob ich heute Abend nun zu Bosse oder Pixies gehe. Die überschneiden sich beide nämlich nahezu vollständig. Und selbst Kraftklub wird durch beide Bands noch angeschnibbelt. Immer diese Entscheidungen.
19:32 Uhr:
Oh je, jetzt locken mich die ersten Töne der Dropkick Murphys doch tatsächlich wie ein Rattenfänger zurück zur Green Stage. Na gut, eine halbe Stunde gucken kann ich ja noch. To Boston, to Boston!
20:43 Uhr:
Ich bin völlig hin und her gerissen. Gucke ich mir jetzt Bosse oder die Pixies an? Wohltuender, bekannter Indie Poprock oder mir nicht ganz so geläufiger, straighter Rock’n’Roll? Bock habe ich auf beides. Für einen kurzen Moment bleibe im am Winkelpunkt des Dreiecks aus Red Stage und Blue Stage stehen.
Pixies links… |
…Bosse rechts. |
Dann denke ich an die Worte meiner Camp-Nachbarin, die sich kurz zuvor auf den Weg zu den Pixies gemacht hat. „Bosse kannst du immer wieder sehen, bei den Pixies ist die Chance nicht ganz so groß“. Wie weise. Also gehe ich zu den Pixies. Die spielen ordentlich, legen gut vor, aber trotzdem schiele ich immer wieder hinter mich und schaue auf die Massen, die da zu Bosse strömen. Die sehen teilweise sehr amüsant aus 😉
Der Gefangenchor. |
Ein Traum für jeden Luftpolsterfolienfan. |
Nach einer Viertelstunde halte ich es in meiner Zerrissenheit nicht mehr aus und laufe wieder zur Red Stage. Hier stehen die Leute mittlerweile an der dritten Absperrung an. Fünf Minuten später setzt dann die Völkerwanderung in die Gegenrichtung von beiden Bühnen aus ein. Die Massen strömen zur Green Stage, um sich Kraftklub zu geben. Bei der Menschenmenge, die sich dort bereits 15 Minuten vor Stagetime versammelt hat, wäre so mancher Headliner in der Vergangenheit neidisch geworden. Es ist ein kleines Phänomen, aber die heimischen Bands wie Casper, Donots, Bosse oder Kraftklub ziehen in diesem Jahr wirklich extrem gut und laufen den Headlinern teilweise den Rang ab. So war gestern Abend bei Casper mehr los als bei Aracade Fire.
21:05 Uhr:
In diesem Jahr gibt es kein Public Viewing auf dem Hurricane Festival. Man wolle den Focus auf die Musik legen und zur Primetime keinen Fußball zeigen. Das ist auch gut so, schließlich sind in den vergangenen Jahren schon ein paar Band-Auftritte dem runden Leder zum Opfer gefallen. Ich erinnere nur an Nada Surf 2006.
Ein findiger (und mir bekannter) Currywurst-Budenbetreiber versucht deshalb derweil zwischen Red Stage und Blue Stage zumindest mit seiner DVB-T Antenne für ein bisschen WM-Feeling zu sorgen. Das Bild auf dem LED-Fernseher an der Budenwand ist zwar mehr als ruckelig, aber immerhin kann man so den Spielstand erkennen.
Im VIP-Bereich wird übrigens nicht auf Fußball verzichtet. Wenn also irgendwann an völlig unpassender Stelle Jubel aus der Ecke dringt, hat Deutschland vermutlich ein Tor geschossen 😉 Aber Kraftklub informieren sicher auch zumindest über den Spielstand.
21:20 Uhr:
Durch das Pressezelt wabert der Geruch von abgebranntem Feuerwerk. Kraftklub starten ihr Set nämlich überaus heiß und feuern ab, was sie können. Fußball hin oder her, ich stelle mich jetzt zu den anderen geschätzt 20.000 Menschen, die da gerade vor der Bühne die Chemnitzer Herren abfeiern.
23:04 Uhr:
Gerade ein kurzer Zwischenstopp im Pressezelt, bevor ich weiter zu Interpol laufe. Meine Güte, was war das ein Abriss bei Kraftklub! Selten habe ich die Herren derart stark erlebt. Mit diesem Auftritt haben sie sich in gewisser Weise selbst übertroffen. Pyrotechnik ist in der Tat kein Verbrechen und Randale mit der Band ist einfach großartig.
…und dann war da ja auch noch Fußball. Ich bekomme jetzt nur noch die Hälfte von Interpol mit, weil ich mich wie jede Menge anderer Menschen im VIP-Zelt vom Fußball festhalten lassen habe. Eigentlich wollte ich nur einen Zwischenstand, dann ist die zweite Halbzeit daraus geworden. Als ich raus wollte, sagte man mir, ich käme so schnell nicht wieder rein. Also blieb ich. Das war wohl eines der ersten Male, dass der VIP-Bereich wegen Überfüllung geschlossen werden musste. Und dazwischen dachte ich mir so: Stell dir vor, Interpol spielt auf der Blue Stage und alle gucken lieber Fußball. So in der Art zumindest 😉
Gerade haben Interpol ihre Show mit einem solchen Knall eröffnet, dass die paar übrigen Journalisten im Pressebereich beinahe einen Herzinfarkt bekommen hätten. Huch! Jetzt aber doch noch schnell ab zum Rest von Interpol, dann geht’s auch bestimmt danach noch mal zu Volbeat zurück. Cheerio!
23:44 Uhr:
Mit dem letzten Rest von Interpol hole ich mir noch eine gute Portion hochklassigen Rock ab und lasse mich von den Herren in Anzügen fein unterhalten. Sie sind wie gewohnt sehr straight, ohne unnötigen Schnickschnack und trotzdem auf ihre eigene Art und Weise glamourös. Die Herren würde ich gerne auch noch mal auf einem „normalen“ Konzert sehen.
Danach geht’s weiter zu Volbeat, die mir mit ihrem Feuerwerk ja bereits zum Showauftakt einen halben Herzinfarkt verpasst haben. Auch eine knappe Dreiviertelstunde später fackeln die Dänen immer noch alles ab, was die Benzintanks auf der Bühne hergeben. Ihr fettes Brett aus melodiösem Metal, den ein Mensch neben mir als Pop-Metal bezeichnet, begeistert das Hurricane bis zum Exzess. Die zahllosen Feuerfontänen auf der Bühne heizen das Spektakel noch um Einiges an. Und wie sie zuvor begonnen hatten, verabschieden sich Volbeat auch: mit einem riesigen Feuerwerk.
00:37 Uhr:
Nach Volbeat startet auf der Red Stage und Blue Stage das krasse Kontrastprogramm: Belle & Sebastian und Lily Allen. Meine Mitcamper und ich laufen erst mal zu Lily Allen und gucken, was die Dame denn live so kann. Sie flötet relativ gut gelaunt ihren Mädchenpop ins Mikrofon, macht aber irgendwie auch einen leicht verstrahlten Eindruck. Vielleicht liegt das ja am Getränk, an dem sie regelmäßig nuckelt. Nach Volbeat kann ich mich auf die Show, die von jeder Menge riesiger Babyfläschchen auf der Bühne flankiert wird, irgendwie nicht richtig einlassen. Das Licht ist zwar ganz schön und auch die Videoanimationen sind hübsch kunterbunt anzusehen, aber irgendwie fühlt sich das unpassend an.
Mir war vorab nicht irgendwie gar nicht bewusst, wie poppig Lily Allen wirklich ist. während ihre Texte ja meist noch einen tieferen Sinn haben und meistens emanzipierten Mädels aus der Seele sprechen sollten, finde ich sie besonders in ihren hohen Gesangspassagen eher nervig. Dazu die leicht bekleideten Tänzerinnen, die eher den Eindruck machen, als ob sie gerade aus einem Rihanna-Video geflohen wären. Sorry Lily, wir beide werden heute Nacht einfach keine Freunde mehr.
01:05 Uhr:
Nächster Versuch bei Belle & Sebastian. Die Band mit den unglaublich vielen Musikern auf der Bühne spielt vor recht dünnem Publikum. Eine meiner Freundinnen in den USA ist völlig begeistert von ihnen, ich kenne dank des Film-Soundtracks zu „Juno“ immerhin zwei oder drei Songs. Auch hier ist mir nicht ganz klar, warum man solch eine Band mitten in der Nacht spielen lässt. Der filigrane Pop wirkt wie aus einer anderen Zeit, so als hätte man eine Reise in die Musikwelt der 60er oder 70er Jahre gemacht. Die Red Stage nachts um 1 Uhr ist einfach nicht der richtige Ort, sich auf diese qualitativ hochwertige Darbietung richtig einzulassen. Ich bin fast überzeugt, dass die verzauberten Damen und Herren auf der Zeltbühne am frühen Abend besser aufgehoben gewesen wären. Auf Wiedersehen, du Schöne und das Biest, irgendwann sehen wir uns sicher noch einmal in einer angebrachteren Location, wo man dir auch wirklich zuhören kann. Gute Nacht, Cherie!