Donnerstagabend, es ist kurz vor Mitternacht. In der Lagerhalle blickt das Publikum im großen Saal gebannt gen Bühne. Jedoch nicht in freudiger Erwartung auf eine Zugabe, sondern auf den ersten Song des Abends. Die Sportfreunde Stiller sind zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder in Osnabrück zu Gast und haben zu einer nächtlichen Clubshow geladen.
Grund für die ungewöhnliche Uhrzeit ist der Fußball. Wenn Deutschland in der EM-Gruppenphase Zweiter geworden wäre, hätten Jogis Jungs an diesem Abend das Viertelfinale bestritten. Und das hätten sich die Helden des WM-Songs „54, 74, 90, 2006“ natürlich nicht entgehen lassen dürfen. Die Fans der Sportfreunde Stiller stört dies offensichtlich kaum. Das Konzert ist seit Wochen restlos ausverkauft. Einige nutzen die Gelegenheit, um in ihren Geburtstag hinein zu feiern, andere um ein verlängertes (Fußball-)Wochenende einzuläuten.
„Es war die Nacht im Himalaja“ schallt pünktlich zur Geisterstunde aus den Boxen. Unter den Klängen des Schlagers betritt das Münchner Trio fast schon etwas schüchtern die Bühne und startet mit der punkigen Nummer „Let’s did it“ in ihr 90-minütiges Programm. Zu so später Stunde brauchen die „Sportis“ anscheinend erst einen Moment, um auf der Bühne ihren Groove zu finden. Die ersten Minuten kommen streckenweise noch etwas dissonant daher, aber auch das Osnabrücker Publikum muss sich scheinbar erst noch die aufsteigende Müdigkeit aus den Knochen schütteln.
Der etwas holperige Auftakt ist bis zum Ende dritten Songs „Alles Roger“ schon fast wieder vergessen. Die Fans lassen sich langsam aber sicher aus der Reserve locken, während Peter, Rüde und Florian wohl ihre musikalische Mitte wieder gefunden haben. Das Trio steigert sich spürbar von Song zu Song. Dafür werden sie auch tatkräftig unterstützt: Streicher, Bläser, Backgroundsänger, zusätzliche Gitarren, ein Piano und Saxofone. Zeitweise drängen sich bis zu 15 Musiker auf der kleinen Bühne der Lagerhalle und verleihen den gewöhnlich eher einfach gehaltenen Sportfreunde-Stiller-Songs eine besondere Tiefe.
Die Stücke auf der Sportis-Setliste an diesem Abend sind altbekannt. Kein Wunder, das jüngste Album der Band ist schließlich schon wieder einige Jahre alt. Man spielt sich quer durch eineinhalb Jahrzehnte Bandgeschichte und Diskografie. Von „Wellenreiten“ über „Ein Kompliment“ und „Ich Roque“ bis zur aktuellsten Single „Lass mich nie mehr los“ ist an diesem Abend alles dabei. – Fast alles, denn zu ihrem Fußballhit von 2006 möchte sich die Band trotz ausdrücklicher Wünsche aus dem Publikum nicht hinreißen lassen. Auch die beste Fußballstadion-Choreografie mit „HUMBA!“-Gesang, Hüpfen und Hinsetzen kann nicht weiterhelfen. Stattdessen präsentieren die Sportis zwei neue Songs: Die treibende Rocknummer „Clowns und Helden“ sowie die melodisch melancholische Indiepop-Nummer „Wunderlied“, die mit beachtlichem Ohrwurmpotenzial daher kommt. Wie die meisten Stücke der Sportfreunde Stiller leben auch diese Stücke wieder von gewitzten Texten kombiniert mit eingängigen Melodien.
Der guten Stimmung im Saal tut das Fehlen der Fußball-Hymne keinen Abbruch. Die Osnabrücker klatschen, tanzen und singen trotzdem begeistert mit, ohne dass die Band großartig die Publikumsanimationskeule schwingen müsste. In der aufgeheizten intimen Atmosphäre der Lagerhalle entsteht so schnell im Publikum eine selbst für die Sportfreunde überraschende Eigendynamik. „Ach, wäre ich doch gerne Campino“, ruft Sänger und Gitarrist Peter Brugger der Menge grinsend entgegen, als gut 500 Kehlen der Band minutenlang „Eisgekühlter Bommerlunder“ von den Toten Hosen entgegen grölen.
Die Sportfreunde Stiller wirken an diesem Abend auf der Bühne wie die erwachsen gewordenen Jungs von nebenan. Authentisch natürlich und mit viel Spaß an der Sache. Musikalisch ist die Band zwar nicht immer perfekt, dafür im Gesamtpaket umso sympathischer.