Was man manchmal vor lauter großen Konzerten vergisst, sind all die kleinen Veranstaltungen, die unter der Woche immer wieder an schönen Orten in Osnabrück stattfinden. Der Zauber von OS hat sich in den letzten Monaten immer mehr zur starken Wohnzimmerbühne für kleine, oft wunderbare Bands und Künstler gemausert. Am Donnerstagabend habe ich dort ganz spontan Wyne Garden aus Bielefeld besucht. Ein lustiger Abend, dessen Unperfektheit ihn perfekt sein ließ.
Wie kann aus Unperfektheit Perfektion werden? Nun, das liegt wohl einfach an Wyne Garden selbst. Um ehrlich zu sein, ich war mir vor dem Konzert nicht sicher, ob ich an diesem Abend begeistert oder mit Ohrenschmerzen nach Hause gehen würde. Wyne Garden steht für Lo-Fi-Garage-Pop, der aufgenommen eben so klingt, als hätte man, ja, einen Kassettenrekorder in eine Garage gestellt. Ich bin, was schräge Töne angeht, etwas empfindlich. Deshalb hatte ich es vor dem Konzert auch trotz mehrerer Anläufe nicht geschafft, mir mehr als 30 Sekunden von Wyne Garden anzuhören. Die Musik vertrug sich einfach nicht mit meinem gestressten Kopf.
Live und auf Platte sind ja aber bekanntlich zwei verschiedene Paar Schuhe. Und da die liebe Beene und Angelino von Taiga ganz begeistert von Wyne Garden sind, gebe ich ihm also noch eine Chance. Zum Glück.
Wyne Garden überrascht mich. Sein ganzes Auftreten, oder besser gesagt, das Auftreten der ganzen Band auf der Wohnzimmerbühne des Zaubers ist verträumt, ein wenig schief und trotzdem, auf seine ganze eigene, surreale Art, irgendwie richtig. Man hat das Gefühl, gerade hätte sich das Garagentor eines Wohnhauses in irgendeinem beliebigen Vorort irgendwo im Amerika der frühen 1970er-Jahre geöffnet, und man sieht ein paar musikverliebten, etwas schüchternen Freunden bei ihrer größten Leidenschaft zu. Musik. Wyne Garden holt mich ab und nimmt mich mit in diesem Super-8-Film, auch wenn da aus den Instrumenten ganz gewollt nicht die 100% akkuraten Klänge ertönen, die man mir im klassischen Musikunterricht als „gute Musik“ vorgelebt hat.
Die sehr eigenwillige Stimme des Sängers, die schnarrenden Effekte auf der Akustikgitarre, die leicht weggetretenen Riffs und Soli des E-Gitarristen. Was sich im ersten Moment erst völlig krumm, schief und fürchterlich dissonant anhört, macht nach ein paar Takten plötzlich absolut Sinn. Mein Kopf erkennt ein System und funkt: „Alles in Ordnung! Das ist ja sogar schön! Irgendwie.“
Der Live-Super-8-Film mit Tonband-Charme vor meiner Nase entführt mich in meine Kindheit. Ich sehe mich, wie ich in alten Alben mit gelblich-rot-verwaschenen Fotos aus der Studentenzeit meiner Eltern blättere und irgendwie wäre Wyne Garden zu dieser Szene der perfekte Soundtrack. Vermutlich müsste ich mir die Wyne Garden-EP einfach mal auf Vinyl reinziehen (sofern es sie denn gäbe), um die Musik auch aufgenommen wirklich wertschätzen zu können.
Zurück in die Garage im Zauber von OS. Wyne Garden haben Spaß auf der Bühne, ebenso das Publikum davor. Die Musiker sind so sehr in ihrer Musik und ihren Instrumenten versunken, dass sich Sänger und Gitarrist so tief in einem Gitarrensolo verlaufen, dass beide nicht mehr wissen, wie sie von dort nun einen guten Abschluss für den Song finden sollen. Sympathisch. Improvisieren ist alles. Mit dem letzten Ton schließt sich nach einer gefühlten Stunde das Garagentor im Super-8-Film wieder. Abspann… Applaus!
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