Der dritte und letzte Tag des diesjährigen Popsalon Festivals in Osnabrück steht an. Auch an diesem Abend ist das Line Up wieder eine hochkarätige Mischung aus Newcomern und bekannteren Indie- und Elektro-Acts: Trümmer, We were promised Jetpacks, Fuck Art Let’s Dance!, Frittenbude, Turboweekend, Laing, Cody und Robots don’t Sleep stehen auf dem Programm. Und wie am Tag zuvor stellt sich die Frage: Wen darf man auf keinen Fall verpassen?
Fast schon traditionsbewusst zieht es mich zu Beginn des Abends in die Lagerhalle. Hier eröffnen Trümmer heute den Abend. Die Band ist wohl mit Abstand die jüngste auf dem Festival, und das nicht nur aufgrund des Alters der Musiker. Gerade mal vor einem Jahr startete das Trio sein Band-Dasein und schaffte es mit seinen direkten, mit potenziellen Häuserwand-Slogans vollgestopften Texten prompt auf das Cover des SPEX-Magazins. So erzählt zumindest die Beschreibung im Programmheft. Da eine Freundin und ich direkt im Anschluss sowieso We were Promised Jetpacks sehen wollen, können wir uns diesen Festivalgeheimtipp ja auch mal antun.
Eine gute Entscheidung! Trümmer entpuppen sich als großartiges Warm-Up. Mit jeder Menge Energie und Leidenschaft hauen sie ihre Nummern raus, nicht immer ganz sauber, aber irgendwie passt das zu ihrer Band Attitüde. Die Stimme des Sängers erinnert mich manchmal ein kleines bisschen an eine Mischung aus Madsen und Angelika Express, die sich mit Achtziger-Punkbands und NDW vereint. Irgendwie schon ganz cool und schade, dass sie nur eine gute halbe Stunde lang spielen. Die Jungs sollte man im Auge behalten.
Nach Trümmer dann kurzes Warten auf We were Promised Jetpacks. Die Schotten hätten eigentlich schon vor zwei Jahren beim Popsalon spielen sollen, hatten dann jedoch kurzfristig wieder abgesagt. Umso größer ist heute Abend die Vorfreude in der Lagerhalle. Gestandene junge Männer drängeln sich in der ersten Reihe um den Auftritt ihrer musikalischen Helden so intensiv wie möglich mitzuerleben. Und dann geht es auch schon los. Zwischen dicken Schwaden aus Trockeneisnebel und dunkelbunten Lichtern betreten die vier Herren von der Insel beinahe feierlich die Bühne. Während die meisten Augen erwartungsvoll an Frontmann Adam Thompson kleben, entgeht vielen zunächst der geradezu unglaubliche Einsatz von Gitarrist Michael Palmer. Dieser wirbelt herum und windet sich wild am linken Bühnenrand, während er mit atemberaubender Geschwindigkeit die Saiten seiner E-Gitarre beschrabbelt. Fast verliebt bearbeitet er dabei auch noch mit den Händen sein Effekt-Board, was seiner Klampfe regelrecht psychedelische Klänge entlockt. Dann endlich setzt auch Sänger Adam mit seiner fesselnden Stimme ein und begeistert ab dem ersten Ton. Zusammen rockt sich die Band gut eineinhalb Stunden lang durch ihre Diskografie. Schnelle Tanznummern wechseln sich mit längeren Instrumentalpassagen ab, in denen alle Jungs noch mal zeigen, was sie an ihren Instrumenten so drauf haben. Nämlich Einiges. Und während es sonst doch eher die Fanmädchen sind, die ihren Lieblingsbands bei Konzerten mit allerlei „Showeinlagen“ begegnen, sind es hier die Männer: Bei einer ruhigeren Nummer pustet ein Kerl in der fünften Reihe, Typ Mittzwanziger mit Hornbrille und 4-Wochen-Bart, verträumt Seifenblasen durch den Raum.
Nach dieser gut 90-minütigen Indie-Rockeinlage mit vollem Körpereinsatz in der dritten Reihe fühle ich mich ein bisschen so, als ob ein Versprecher meiner Begleitung wahr werden könnte: We were promised Jetlags. Egal, das gehört einfach dazu. Also ab in den Shuttlebus und auf zur Kleinen Freiheit. Hier soll gleich das Mädchen-Elektropop-Kollektiv Laing auftreten, das durch seinen Song „Morgens immer müde“ bekannt geworden ist. Anscheinend erwartet man ein sehr volles Haus: sämtliche Sitzgelegenheiten, die sonst die Tanzfläche der ehemaligen Kantine säumen, sind weggeräumt worden.
Auf der Bühne stehen drei hohe Mikroständer, an denen jeweils eine altmodische Schreibtischlampe montiert ist. Als die vier Damen schließlich hinter weißen Masken versteckt ihr Set beginnen, werden sie nur von den kleinen Lampen angestrahlt. Der Effekt ist nur ein kleiner Teil der sehr minimalistisch gehaltenen, aber dennoch extrem wirkungsvollen Bühnenshow. Dazu perfekter Gesang, perfekte Choreographie. Perfekte… Ja, eigentlich ist das schon fast hochtrabende Kunst, was dort vorne gerade vor sich geht. Doch obwohl, oder vielleicht gerade weil eigentlich alles so perfekt ist, will Laing irgendwie nicht so recht in die Kleine Freiheit passen. Die Show gehört auf eine größere Bühne, man müsste sehen können, was dort geschieht. So sehen die meisten davon nicht allzu viel und müssen mit den minimalen Beats und anspruchsvollen Harmonien allein zurecht kommen. Ohne die visuelle Stimulation ist mir die Musik von Laing eine Spur zu minimal und zu so später Stunde auf Dauer doch etwas zu anstrengend. Meiner Begleitung geht es ähnlich und so hüpfen wir noch schnell in das letzte Shuttle zurück zum Glanz und Gloria, wo sich schon eine Schlange für die Aftershowparty gebildet hat. Bei dem Anblick trifft uns beide leider doch schlagartig der We were promised Jetpacks-Jetlag, und so geht es für uns doch lieber nach Hause als auf die Tanzfläche. (Ja, ich werde alt;-))
Insgesamt hat sich der vierte Popsalon wieder einmal als großartige Entdeckungstour entpuppt. Die tolle Organisation, das klasse Publikum und die überaus angenehme Atmosphäre machen das Festival zu einem echten Muss für Musikliebhaber der Region, die sich auch gerne mal überraschen lassen und auf neue Acts gespannt sind. Ich bin es auf jeden Fall und freue mich schon auf das nächste Jahr.
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