Von Wegen Songslam #3 – Noch so ein Song Slam? Von Wegen!

Es gibt einen neuen Singer/Songwriter Slam in der Stadt. Am Donnerstagabend startete die bereits dritte Ausgabe des Von Wegen Songslams im Pollyesther’s in Osnabrück. Ausgabe 1 und 2 sind irgendwie an mir unbemerkt vorbeigezogen. Miss Allie aus Lüneburg, Jost Heinrich Walter aus Marburg und die liebe Marie Katzer durften sich in diesem etwas anderen Songslam-Format beweisen. Und wer jetzt denkt, mäh, noch so ein langweiliger Songslam, der sollte weiterlesen. Denn erfreulicherweise ist der Von Wegen Songslam eben nicht wie jeder andere Kneipen-Songslam. 

Singer/Songwriter und entsprechende Slams gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Seit spätestens fünf Jahren scheint es so, als ob jeder Student, der irgendwann mal irgendwo in der hintersten Ecke seiner WG die verstaubte Gitarre einer seiner unzähligen Vormieter gefunden hat, meint, sein Leben in Songs verpacken zu müssen. Manche Ergebnisse sind richtig gut. Manch andere dagegen nicht so sehr.

Nun ist man ja aber scheinbar kein echter Singer Songwriter, wenn man nicht mindestens einmal auf einem wackeligen Backhocker gesessen und vor einem mehr oder weniger (des)interessierten Publikum seine Lieder zum besten gegeben hat. Da es gar nicht genügend Bars in diesem Land und Abende im Jahr gibt, um allen selbsternannten Künstlern eine Bühne zu bieten, gibt es Singer/Songwriter Slams. Die haben dazu noch den netten Nebeneffekt, dass die ganz schlimmen Kollegen einfach vom Publikum aussortiert werden. An guten Abenden entdeckt man hier hervorragende Musiker. An schlechten Abenden wünscht man sich, man hätte als Kind seine „Rolf Zuckowski und seine Freunde“-Schallplatte niemals auf dem Flohmarkt verkauft.  Die wäre jetzt mindestens zehnmal besser gewesen.

Während Singer/Songwriter Slams vor ein paar Jahren noch das große, neue Ding waren und man wirklich das Gefühl hatte, etwas zu verpassen, wenn man einen  Abend mal nicht dabei war, scheint es mir so, als ob da inzwischen ein bisschen die Luft raus ist. Gefühlt hat fast jede Bar schon seine eigene hochernste Slam-Reihe am Start gehabt, der Standard-Slam gleicht einer Massenabfertigung, und weil die Gitarre alleine nicht reicht, hat jeder singende Songschreiber heute eine Loop-Station.  Was nicht unbedingt immer die Qualität steigert. Hach je.

Alles anders beim Von Wegen Song Slam

So, genug Gejammer. Beim Von Wegen Songslam ist das alles glücklicherweise ein wenig anders. Anstelle der üblichen fünf bis zehn Künstler treten pro Abend nur drei Musiker auf. So haben sie schon mal etwas mehr Zeit auf der Bühne. Aber einfach nur ein paar mehr Songs zu spielen, wäre nun ja auch nicht die Neuerfindung des Rades. Stattdessen gibt es insgesamt drei Runden mit unterschiedlichen Aufgaben.

In Runde 1 spielt jeder Künstler drei seiner eigenen Songs, in Runde 2 steht ein Coversong nach Wahl auf dem Programm. Zusätzlich muss jeder Künstler noch einen vorgegebenen Song covern, den Veranstalter Fabian von Wegen ein paar Tage zuvor bestimmt hat. In Runde 3 geht es dann um Improvisation. Jeder Künstler muss spontan einen zuvor unbekannten Text vertonen. Theoretisch könnte da auch ein Abschnitt aus dem Telefonbuch dabei sein. Dazu geht es auch einfach mehr um Spaß. Zu gewinnen gibt es nämlich eine Flamingo-Gießkanne. Das Publikum entscheidet mit Wertungen aus Flamingos und Raben, wer gewinnt.

Am Donnerstag standen also Marie Katzer, Jost Heinrich Walter und Miss Allie auf der Bühne. Musikalisch sind alle drei eine wahre Freude. Besonders Miss Allie hat es mir mit ihren niedlichen und gleichzeitig doch messerscharfen, wortwitzigen Texten angetan. Herr Jost überrascht mich dagegen mit einer extrem tiefen Stimme, die man so sonst eher selten hört. Und von der lieben Marie habe ich Euch gleich noch ein kleines Video gemacht.

IMG_4133Cover Runde. Von Marie gibt es „Get on“ von Kate Nash, Miss Allie wagt sich an „Hit me Baby one more time“ von Britney Spears, was auch beim Publikum die Stimmbänder animiert. Herr Jost widmet sich Tocotronic. Als Hausaufgabensong müssen alle „Freiheit“ von Marius Müller Westernhagen interpretieren. Marie macht’s auf Englisch, Miss Allie und Jost auf Deutsch, aber eigen.

Die Impro-Runde begeistert mich am meisten. Absolut nicht singbare Texte werden hier plötzlich doch… ganz schön. Marie Katzer bekommt Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 1 bis 5 aus dem Hut gezogen, Jost muss sich mit einem Auszug aus Kafkas „Die Verwandlung“ herumschlagen, während Miss Allie den Fachtext „Gesellschaft als subjektive Wirklichkeit“ in eine Art Amazing Grace-Gospel-Country-Nummer verwandelt.

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Am Ende erhalten Miss Allie und Marie knapp mehr Flamingos als Jost und teilen sich so den ersten Platz. Und weil man eine Flamingo-Gießkanne so schlecht zu zwei benutzen kann, wird der zweite Pokal einfach der aufblasbare Flamingo aus der Songslam-Deko. Schönes Ding!

Ich hoffe, dass der Von Wegen Songslam noch mal an den Start geht. Da bin ich auf jeden Fall wieder gerne mit dabei.

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