77 Bombay Street & Marie Katzer im Rosenhof Osnabrück

Wir haben eine Premiere: Der erste Gast-Beitrag für LEISE/laut. Karsten Rzehak, Haus- und Hof-Fotograf des Rosenhof Osnabrück, hat für uns seine Eindrücke des Konzerts von 77 Bombay Street am 5. Oktober 2013 mit Marie Katzer als Support ausführlich in Wort und Bild festgehalten.

Vor nicht ganz einem Jahr muss es gewesen sein, als ich durch irgendeinen Zufall auf die mir bis dato unbekannte Band 77 BOMBAY STREET und deren Song „47 Millionaires“ stieß. Ich war sofort ziemlich angetan von der fröhlichen und sommerlichen Musik. Eine kurze Internetrecherche zeigte, dass es sich ganz offensichtlich nicht um einen Ausnahme-Hit handelte. Schon bald war das Debutalbum „Up in the sky“ das Meine und offenbarte 12 erfreulich leichte und unbeschwerte Pop/Indie-Rock-Songs mit leichtem Folk-Einschlag. Damit kam die Band ganz oben auf meine geistige Liste derer die ich einmal live zu erleben hoffte.

Umso größer die Freude als dann ein Konzert mit 77 BOMBAY STREET in meinem Stammclub, dem Rosenhof in Osnabrück, angekündigt wurde in dem ich seit langen Jahren als Haus- und Hof-Fotograf aktiv bin. Aufgrund der von mir gehörten Musik stand es für mich außer Zweifel, dass der Rosenhof die richtige Location mit der richtigen Größe für dieses Konzert sein dürfte. Die mittlerweile erschienene zweite CD „Oko town“ bestärkte mich in diesem Eindruck noch.

Ich war daher einigermaßen erstaunt, als ich ziemlich pünktlich um 20 Uhr ankam und erst einmal niemanden sah. Leider änderte sich dieser Eindruck nach Betreten des Clubs auch nicht. Zu diesem Zeitpunkt waren vielleicht um die 50 Personen in einem Club der auch locker einmal 800-900 Zuschauer fasst.

Marie Katzer als Support

 

Nach der ersten kleinen Enttäuschung konzentrierte ich mich auf das, was das gerade auf der Bühne passierte. Dort hatte bereits der Support des Abends begonnen. Alleine mit ihrer Akustikgitarre stand die Osnabrücker Singer/Songwriterin MARIE KATZER auf der Bühne. In Osnabrück ist die noch recht junge (Anfang 20 ist sie erst) Sängerin kein unbeschriebenes Blatt mehr und konnte als Support auf diversen Konzerten in kleineren Clubs oder auch bei dem in der Lagerhalle stattfindenden Singer-Songwriter Slam Live-Erfahrung sammeln.

Das Problem wenn ein lokaler Singer/Songwriter als Support einer Band eingesetzt wird ist ja meist, dass das Publikum eher wegen der Hauptband kommt und während der Vorband dann große Unruhe herrscht, weil sich alle unterhaltend die Wartezeit zum Hauptact vertreiben. Anders jedoch an diesem Abend bei MARIE KATZER. Während diese zwischen den Songs und bei den Ansagen sichtlich nervös wirkte (zwar dürfte sie selten in so einem großen Club, aber dennoch meistens vor mehr Publikum gespielt haben) und etwas verloren auf der für eine Person doch recht großen Bühne des Rosenhofs stand, war diese Unsicherheit während der Songs komplett verflogen. MARIE KATZER tauchte tief in ihre Songs ab und schaffte es das Publikum mit ihrer großartigen Stimme direkt zu packen und gespannt lauschen zu lassen. Der Applaus wurde von Song zu Song größer (und das nicht nur, weil nach und nach noch einige weitere Gäste eintrudelten).

Während der überwiegende Teil der Songs eher ruhig und melancholisch klang, schaffte es MARIE KATZER aber auch immer wieder durch ihre Stimme etwas kraftvoller zu werden und die Intensität innerhalb der Songs dezent zu variieren, so dass nie der Eindruck auftrat die Musik würde nur vor sich hinplätschern. Gegen Ende ihres Sets widmete sie dann etwas semi-charmant ihren Song über ältere Menschen einem Mitarbeiter des Rosenhofs und erhielt von diesem dann auch direkt im Anschluss eine Rose auf die Bühne gereicht.

Als MARIE KATZER dann die Bühne verlassen wollte, schafften es die wenigen Zuschauer umso lautstärker diese mit Klatschen und Zugaberufen noch einmal zurückzuholen. So gab es zum Abschluss nach das KATE NASH Cover „We get on“. Auch hier schaffte es MARIE KATZER dem Song durch ihre Stimme eine ganz neue und eigene Note zu geben. Dieser Auftritt war auf jeden Fall die erste positive Überraschung des noch jungen Abends.

Mehr Fotos von Marie Katzer findet Ihr hier.

Gute Laune, beste Stimmung

Die nächste sollte direkt im Anschluss folgen nach einer kaum nennenswerten Umbaupause von nicht einmal 10 Minuten. Dann kamen direkt 77 BOMBAY STREET auf die Bühne wie man sie von den Covern ihrer CDs kennt: In bunten Uniformen, die direkt an die BEATLES erinnerten (wie ja manchmal die Musik in Teilen auch ein bisschen).

Die Band wirkte an diesem Abend genauso unbeschwert, leicht, frisch und unverbraucht wie ihre Musik. Statt schlechte Laune zu haben, dass lediglich an die 100 Fans den Weg in den Rosenhof gefunden hatten, dankten die Schweizer eben diesen 100 Leuten für ihr Kommen. Das wirkte auch völlig ehrlich und überhaupt sah man mit 77 BOMBAY STREET eine völlig lockere und authentische Band auf der Bühne, die sich auf die bereits in der Schweiz erreichten Erfolge (die ja nicht ganz gering sind mit dem erreichten Gold-Status, Charts-Platzierungen, Radiopräsenz und ausverkaufter Club-Tour) rein gar nichts einzubilden schien. Dies war eben Deutschland, Osnabrück und da musste man nochmal von vorne anfangen und die wenigen Fans, die gekommen waren von seinen Live-Qualitäten überzeugen.

 

Das wiederum klappte hervorragend ab der ersten Minute. Die Band startete furios und spielte schon sehr früh mit „47 Millionaires“ und „In the war“ zwei der besten Songs ihres Debütalbums. Von Anfang an wurde dabei das Publikum entweder aktiv eingebunden und zum mitmachen aufgefordert oder sang bereits von sich aus lautstark die Songs zur offensichtlichen Freude der vier Brüder mit. Ja genau: 77 BOMBAY STREET besteht aus vier Brüdern im Alter zwischen 23 und 31 Jahren und das scheint dabei ziemlich konfliktfrei und harmonisch zu funktionieren (man muss ja nicht immer von OASIS ausgehen).

So ist wahrscheinlich auch erblich bedingt, dass gleich alle vier eine gute Stimme haben. Dementsprechend wurden munter die Plätze auf der Bühne am Mikro und zum Teil auch die Instrumente getauscht. Nur Esra blieb die überwiegende Zeit seinem Schlagzeug treu, hatte aber auch seine drei ganz großen Momente während des Auftrittes und bekam daher seinen wohlverdienten Anteil am großen Applaus ab. Zum ersten Mal, als er bei einem Akustiksong nach vorne kam und das Geräusch einer Trompete imitierte. Das begeisterte die Fans so stark und es gab so laute Zwischenrufe nach Zugaben, dass die Band die entsprechende Stelle gleich dreimal wiederholen musste. Doch auch, als er einen Part eines Songs sang konnte er Applaus einheimsen und letztendlich gab es dann noch einmal großen Jubel bei seinem Schlagzeugsolo gegen Ende des regulären Sets. Warum sollte was bei großen Rockkonzerten üblich und meist abgedroschen langweilig ist nicht auf einem Indie-Folk-Rock-Konzert funktionieren? Auf jeden Fall war das Schlagzeugsolo absolut unerwartet und machte einfach nur Spaß.

Längst hatte man das komplette Publikum vor der Bühne versammelt und außer dem Mischer stand niemand mehr im hinteren Bereich des Clubs. Längst stand auch überhaupt niemand mehr still und alle tanzten und sangen begeistert mit. Selten, nein eigentliche niemals, habe ich erlebt, dass ein so kleines Publikum eine so großartige Stimmung erzeugt hat. Das gipfelte dann tatsächlich darin, dass am Ende des Sets 3 oder 4 Konfettikanonen im Publikum gezündet wurden und den Raum in bunte Luftschlangen hüllten.

 

Live-Überraschung des Jahres

Insgesamt schafften es 77 BOMBAY STREET inklusive der Zugaben einen 90-minütigen Live-Auftritt hinzulegen, der zu keiner Zeit auch nur den Anflug von Langeweile aufkommen ließ. Selten kann man einer Band heutzutage noch so viel Spaß an der Musik ansehen und selten legen sich die Musiker noch so dermaßen ins Zeug. Die Uniformen waren entweder bereits nach der halben Show ausgezogen oder nun komplett durchnässt. Die Haare aller Bandmitglieder waren schweißnass und die Gesichter strahlten fröhlich ins Publikum. Ein Auftritt, der zu den für mich größten und großartigsten Überraschungen dieses Jahr zählt, und eine Band, der man unbedingt ein noch größeres Publikum wünscht, und vor allen Dingen, dass sie sich diese Freude am Auftreten bewahren kann. Ich freue mich auf die nächste Gelegenheit, 77 BOMBAY STREET live sehen zu können, auch wenn dieser positive Überraschungsmoment dann leider nicht wiederkommen wird.

Noch mehr Fotos von 77 Bombay Street findet Ihr hier.

Text und Fotos: Karsten Rzehak

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