Interview mit Kettcar: „Belegte Brote dürfen nicht fehlen“

Das Kinder-Tretauto „Kettcar“ wird 50 Jahre alt, die Hamburger Band kettcar feierte am Wochenende den 10. Geburtstag ihres ersten Albums. Grund genug, ein wenig zu resümieren. Erik Langer, Gitarrist der Band, blickt im Interview auf die Anfänge der Band zurück und verrät seine Tricks mit dem Kettcar.

Das Kettcar feiert 50. Geburtstag. Was verbindet Ihr mit dem Rennauto? Außer Euren Bandnamen?
Nur schöne Erinnerungen. Ich persönlich hatte ein rotes Kettcar, mit dem ich sehr viel Spaß hatte. Ich konnte irgendwann sogar auf den Hinterrädern fahren. Das habe ich bei uns auf dem Hof so lange exzessiv gemacht, bis irgendwann der Sitz abbrach. Eine Zeit lang war das Kettcar für mich ein sehr wichtiges Spielgerät.

Euer erstes Album „Du und wieviel von deinen Freunden“ ist gerade 10 Jahre alt geworden. Was ist das für ein Gefühl, wenn ihr heute die alten Songs spielt?
Die Songs, die wir heute noch spielen, haben uns die ganzen Jahre über begleitet. Wir spielen sie für das Publikum, denn die Leute wollen die Songs immer noch hören und sie kommen immer noch gut an. Das macht natürlich Spaß, wenn man so vielen Menschen eine Freude bereiten kann. Insofern werden wir auch gar nicht müde, die alten Lieder zu spielen. Dazu kommt ja auch, dass wir danach ja auch noch sehr viele neue Sachen gemacht haben und ein Konzert von uns deshalb auch nie langweilig wird.

Welcher Song Eures ersten Albums hat für Euch aus heutiger Sicht die größte Tragweite?
Das ist schwer zu sagen, aber vermutlich „Landungsbrücken raus“. Das hat sich für uns als Band mit zum wichtigsten Stück entwickelt, weil es einfach am bekanntesten ist und immer wieder genannt wird, wenn über die Band gesprochen wird. Ansonsten sind auf dem Album aber auch noch viele andere großartige Stücke, die immer viel Spaß machen. Sei es jetzt, wenn man sie live spielt oder wenn man sie zu Hause anhört. Was bei uns natürlich eher selten vorkommt. Aber dann entdeckt man wieder eine Textzeile, die man für besonders gelungen hält oder eine Melodie, die einem besonders gut gefällt.

Was genau verbindet Ihr mit dem Stück?
Das Stück ist zum einen immer ein Höhepunkt unserer Konzerte, auf den sich die Leute offensichtlich auch immer sehr auch freuen. Es ist immer sehr schön, wenn dann die ganze Masse voll dabei ist. Zum anderen ist es aber auch ein ganz besonders tolles Gefühl, wenn wir den Song zusammen in unserem Proberaum spielen. Wir sind dort mitten im Hamburger Hafen und haben eine wunderschöne Aussicht auf das Wasser. Wir blicken zwar nicht direkt auf die Landungsbrücken, sehen aber die ganzen Schiffe bei uns vorbeifahren. Richtig toll. Das ist einfach Heimat. Das ist Zuhause.

Ihr habt Euch vom ersten Album bis zur aktuellen Platte „Zwischen den Runden“ musikalisch deutlich verändert. Wie bewertest du die Reaktionen der Fans darauf?
Ganz gut. Wir haben von Anfang an gehofft, dass wir eine Band sein können, die ihre Fans mitzieht. Uns war auch von Anfang an klar, dass wir immer etwas unterschiedliche Platten machen möchten. Wir wollen nicht stehenbleiben und auch nicht immer die erste Platte wiederholen, weil die halbwegs erfolgreich war. Ein Stück weit ist es uns erstmal auch egal, was die Leute von uns wollen. Wir machen einfach, worauf wir Lust haben. Nur so kann kettcar funktionieren. Aber gleichzeitig hoffen wir natürlich auch, dass die Leute weiterhin etwas mit unserer Musik anfangen können und bei uns bleiben.

Wie gefährlich ist für Euch Routine?
Schon gefährlich. Wir achten immer etwas darauf, unsere Tourneen zu beschränken. Wir spielen viel weniger als andere Bands. So bleibt es für uns etwas Besonderes und für die Leute hoffentlich auch. Wir versuchen auch, uns unterwegs so oft wie möglich etwas Neues auszudenken. Wir mischen die Songs die wir spielen auch von Abend zu Abend immer mal wieder durch. Das treibt zwar unsere Lichttechniker manchmal in den Wahnsinn, aber gut (lacht). Es ist ganz wichtig, dass uns nicht langweilig wird. Das gilt für die Konzerte und genauso für das Songschreiben.

Wenn Ihr die Chance hättet, als Band noch einmal ganz von vorne anzufangen, was würdet Ihr heute anders machen?
Wir haben uns ganz am Anfang sehr daran aufgerieben, eine große Plattenfirma für uns zu finden. Das hat aber einfach nicht geklappt und wir waren sehr enttäuscht, dass niemand mit uns zusammen arbeiten wollte. Letztendlich wurden wir dadurch gezwungen, unser eigenes Label Grand Hotel van Cleef zu gründen. Das haben unser Sänger Markus und unser Bassist Reimer zusammen mit Thees Uhlmann dann übernommen. Das hat anfangs sehr viel Kraft gekostet. Heute würden wir wahrscheinlich sofort unser eigenes Label gründen und uns diesen ganzen Frust ersparen. Denn wie man sieht, es funktioniert ja.

Euer Album wollte damals niemand haben. Wie wichtig ist für Euch und Grand Hotel van Cleef unter diesem Gesichtspunkt die Nachwuchsförderung?
Am Anfang waren das noch viele Musiker und Künstler aus unserem Freundeskreis, die dort oft ihre einzige Chance hatten, etwas zu veröffentlichen. Ein Beispiel ist unser langjähriger Freund Olli Schulz. Wenn man sich jetzt anschaut, welche Bands bei Grand Hotel van Cleef unter Vertrag sind, ist es schon auffällig, dass dort besonders viele junge Bands sind, die dort ihre erste Platte rausbringen. Es findet mittlerweile also schon viel Nachwuchsförderung statt. Wenn man das so nennen möchte. Aber nicht, weil die Plattenfirma den Musikern gönnerhaft eine Chance geben möchte, sondern weil die Bands wirklich gute Musik machen und das Label voll dahinter steht.

Wird Eurer Meinung nach in Deutschland genug für den Musik-Nachwuchs getan oder seht Ihr da noch Nachholbedarf?
Wenn man sich andere Länder, wie zum Beispiel Norwegen oder Schweden anschaut, dann besteht hier durchaus noch Nachholbedarf. Dort wird einfach viel mehr getan. Es gibt sogar Musikclubs, die vom Staat gefördert werden, und das massiv. Hier werden Clubs mal ab und zu mit ein paar Tausend Euro abgespeist und müssen dann sehen, wie sie klarkommen. Aktuell sieht man das besonders gut in Hamburg, wo das Clubsterben wirklich grassiert. Den Behörden und Politikern ist es völlig egal, wenn ein so unglaublich traditioneller und wichtiger Club wie das Molotow irgendwann demnächst wahrscheinlich verschwinden wird. Das ist eine sehr bittere Erfahrung, wenn diese ganze Arbeit gar nicht wertgeschätzt wird. Ein ganz konkretes Beispiel ist auch die Proberaum-Situation. Dafür könnten die Kommunen ruhig etwas mehr Geld locker machen. Es ist doch super, wenn sich Jugendliche zusammenfinden und gemeinsam Musik machen. In Hamburg sind die Mietpreise aber einfach so hoch, dass es fast unmöglich ist, passende Räume dafür zu finden. Ich würde mir wünschen, dass etwas mehr Geld in den musikalischen Nachwuchs fließen würde und dafür vielleicht etwas weniger in die Elbphilharmonie gesteckt wird.

Am Samstag, 3. November, startet Ihr Eure Tour in Osnabrück. Warum gerade in Osnabrück?
Das passt von der Route ganz gut. Außerdem ist Osnabrück ein guter Startpunkt, weil wir dort immer schöne Konzerte hatten. Wir haben vor ein paar Jahren schon mal im Hyde Park gespielt und wir können uns berechtigte Hoffnungen machen, dass es dort wieder ein guter Start der Tour wird.

Was kann man von Eurem Konzert im Hyde Park erwarten?
Wir haben uns nichts Besonderes ausgedacht, es gibt keine Fellkostüme, kein Tischfeuerwerk und auch keine Hühner, die geschlachtet werden. Wir spielen Songs von all unseren Platten und es werden viele Geschichten erzählt. Man kann viel Mitsingen oder einfach mit einem Bier an der Bar zuhören. Das funktioniert alles gut bei uns.

Ihr habt ein straffes Tour-Programm vor Euch. Zwölf Shows in 13 Tagen und nur einen Tag frei. Was macht Ihr, um das zu überleben?
Da hat jeder sein eigenes Rezept. Ich gehe nach dem Aufstehen immer spazieren, egal wie kurz die Nacht war, ganz egal wo ich bin. Ich erinnere mich noch, dass ich bei unserem letzten Konzert im Hyde Park dort in den Wald hochgelaufen bin und plötzlich vor einer riesigen Schlucht des alten Steinbruchs stand. Das war sehr schön. Meistens spielen wir ja zentral in den Städten. Dann laufe ich dort herum, sehe mir die Stadt an oder gehe auch mal ins Museum. Ich verbringe dann einfach etwas Zeit allein, denn die Privatsphäre ist auf Tour ja doch sehr begrenzt. Das tut mir immer gut. Wir machen das alles inzwischen schon so lange zusammen und kennen uns alle sehr gut, sodass das immer ganz entspannt funktioniert.

Was darf in Eurem Touralltag nicht fehlen?
Die Schnittchen, abends nach dem Konzert im Bus, wenn wir losfahren. Auf unserem Cateringzettel steht, dass wir nach dem Konzert gerne noch ein paar belegte Brote hätten. Wir sitzen dann immer zusammen, trinken ein Bier und lassen den Abend Revue passieren. Das ist immer toll. Die Brote dürfen nicht fehlen.

Kettcar im Hyde Park Osnabrück, Samstag, 3. November. Einlass 19 Uhr, Beginn 20 Uhr. Tickets im Vorverkauf circa 26 Euro zzgl. Gebühren.

 

Foto: Andreas Hornoff

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