Hallo, wir sind die Cantina Band. Wenn Ihr Musikwünsche habt, ruft Sie einfach! – Auch wenn die Cantina Band beim diesjährigen Area 4 Festival auf dem Flugplatz in Borkenberge nicht live auf der Bühne stand, war sie doch allgegenwärtig live dabei. Döt, döt, döt – Spielt den selben Song noch mal! Ein furchtbarer Ohrwurm, dem sich kaum einer der 16000 Festivalbesucher entziehen konnte.
Aber das Motto passt. Vielleicht nicht unbedingt für diesen „Song“; aber für dieses Festival. Spielt dieses Festival noch mal, denn auch in diesem Jahr war das Area 4 Festival trotz einem vergleichsweise eher schwachen Line-Ups wieder ein wahres Fest. Drei Tage Rock’n’Roll und Party im „lautesten Wohnzimmer NRWs“ sind an der Mehrheit der 16000 Besucher nicht spurlos vorüber gegangen. Kater, Sonnenbrand/-bräune und gut gelauntes Dauergrinsen sind die unbezahlbaren Souvenirs, die man nach einem gelungenen Festival mit nach Hause nimmt. Und Gründe dafür gab es beim Area 4 trotz Gluthitze an den heißesten Tagen des Jahres mehr als genug.
Freitag – Area 4, du geiles Pferd!
„Area 4, du geiles Pferd!“ – Unter Pressemenschen wettet man, ob Ingo Donot diesen Satz dem Area 4-Publikum am Freitagabend entgegen schleudern wird. Tut er nicht, aber verdient hätte die Menge ihn durchaus. Im Vergleich zu den vergangenen zwei Jahren ist der Platz vor der Bühne zwar nicht so gut gefüllt, wie er schon mal war, dafür gehen alle ab wie Schmidts Katze. Und die Donots ebenfalls. Man möchte sie als heimlichen Headliner des Tages bezeichnen, besonders da Social Distortion zwar nicht wenige Fans auf das Gelände ziehen, jedoch bei aller Ehre auf der Bühne fast schon langweilig wirken. Man ist eben doch keine 20 mehr. Vor der Bühne hat man eher das Gefühl, eine typische Nachmittagsband zu sehen, und nicht diese eigentlich legendären Punk-Urgesteine. Headliner-Allüren zeigen die Herren trotzdem und präsentieren den Fotografen vor Ort einen vollkommen abstrusen Fotovertrag, bei dessen Unterschrift man mehr oder weniger seine Seele verkauft und schon mit einem Fuß im Vertragsstrafensumpf steht. Die Folge: Gemeinschaftlicher Boykott. Statt die Band zu fotografieren, machen sämtliche Grabenfotografen des Festivals von sich zusammen ein Gruppenfoto. Schönes Ding.
Samstag – „Scheiße, die Duschen sind warm!“
Samstagmittag. Es soll der zweitheißeste Tag des Festivals werden. Schon vormittags um 11 Uhr kratzt das Thermometer an der 30-Grad-Marke. Während der Campingplatz langsam aus seinem Schönheitsschlaf erwacht, singt die Hamburger Band Adolar leise zum Soundcheck „I’m dreaming of a white Christmas“ – Bei gefühlten 50 Grad vor der Bühne. Und irgendwie wünscht sich doch jeder gerade ein bisschen Schnee, oder einfach nur ein kleines bisschen Abkühlung. Schatten ist um diese Uhrzeit überall Mangelware und so versucht jeder sein möglichstes, um auch nur irgendwie einen halbwegs kühlen Kopf zu bewahren.
Planschbecken, Wasserrutschen, kalte Duschen. Normalerweise beschwert man sich auf Festivals ja grundsätzlich darüber, dass die Duschen nie richtig warm werden. Heute wünscht man sich es. Doch dank der gnadenlos brutzelnden Sonne hört man schon am Vormittag immer wieder „Verdammt, die Duschen sind heiß!“. Verkehrte Welt.
Nachdem Adolar den Festivalsamstag eröffnet haben, entern The Flatliners aus Kanada die Mainstage. Mit ihrem melodiösen Punkrock sorgen die Jungs eine halbe Stunde lang für entspannt gut gelaunte Stimmung auf dem Festivalgelände. Eine sanfte Einstimmung auf das, was da an diesem Nachmittag noch so folgen soll. Metal, Hardcore und noch mehr Metal. Everytime I Die, Kvelertak und Agnostic Front treiben die Masse vor der Mainstage an ihre körperlichen Grenzen. Nur gut, dass die bestens gelaunte Security immer wieder mit Feuerwehrschlauch, Wasserflaschen und Wasserpistolen am Start ist, um die Fans vor dem sicheren Sonnenstich zu bewahren.
Privatkonzert der Subways
Während die Metalfraktion auf dem Infield für laute Töne sorgt, wird es hinter den Kulissen für einen kurzen Moment ganz ruhig und beschaulich. The Subways geben unter einem kleinen Pavillon im Camp der freiwilligen Festival-Lotsen des 24/5-Projekts ein kleines Privatkonzert, als Dankeschön für den großen Einsatz der ehrenamtlich engagierten Helfer. Die etwa 200 Freiwilligen sammeln das gesamte Festival über Müll, helfen bei Auf- und Abbau, der Bändchenkontrolle und allem, was gerade so anfällt. Drei Songs gibt es im Biergarten des Lotsencafés, ganz unplugged und unverstärkt. Für den Extra-Motivationsschub gehen Sängerin Charlotte Cooper und Sänger Billy Lunn mit der ganzen Lotsen-Truppe eine Runde über das Gelände zum Müll sammeln. Die Lotsen sind von der prominenten Hilfe begeistert.
Als es dann am Ende der Sammeltour kurzerhand durch das Backstage zurück zum Camp geht, sind die Subways für einige weibliche Lotsen jedoch plötzlich nur noch Nebensache. Benjamin Griffey, besser bekannt als Casper, steht nichts Böses ahnend auf dem Platz hinter der Bühne, als er von einem aufgeregten Hühnerhaufen Lotsenmädchen regelrecht überfallen wird. Da sind die Subways schnell vergessen.
Tanzeinlagen in der Abendsonne
Nach ihrem kurzen Lotsen-Intermezzo sorgen The Subways auch auf der großen Bühne für Partystimmung. Ebenso die Wombats aus Liverpool, die mit ihrem Gute-Laune-Pop die Menschen in der Abendsonne zu ausgelassenen Tanzeinlagen hinreißt. Casper zieht wenig später mit seinen Rap-Hymnen zum Erwachsenwerden vor allen Dingen die kleinen Mädchen auf dem Gelände in die ersten Reihen, bevor The Gaslight Anthem schließlich wieder für allgemeine Begeisterung sorgen.
Und schon wie am Freitag übernimmt wieder eine andere Band heimlich gefühlt die Rolle des Headliners. The Gaslight Anthem begeistern durch die Bank weg mit ihrer Musik und ihrer sympathischen Art, auch wenn Sänger Brian Fallon sich zwischen den Songs für die meisten Leute unverständliches Zeug in den Dreitagebart nuschelt. Von Bullet for my Valentine hingegen sind viele Fans enttäuscht. Der Headliner des Abends kommt wieder unterkühlt und nur wenig motiviert rüber. Die Stimmung ist mäßig. Dass Bullet sich dann auch schon nach 60 Minuten anstatt nach geplanten 90 Minuten sang und klanglos von der Bühne huschen, enttäuscht umso mehr. Schade.
Sonntag – Heiß, heißer, Area 40-Grad
Wer dachte, dass es am Samstag schon heiß war, wird am Sonntag eines besseren belehrt. Die Security am VIP-Eingang berichtet, dass soeben an der Bühne die 40 Grad-Marke geknackt worden ist. Und das schon kurz vor 12 Uhr mittags. Auf der Zeltbühne soll es, zumindest gefühlt, noch heißer sein. Alle Bands, die an diesem Tag in dieser kuscheligen Sauna spielen müssen, verdienen eine große Runde Mitleid. Einige Todesmutige Festivalisten finden sich dann trotzdem pünktlich vor der Mainstage ein, um A Wilhelm Scream und Nations Afire zu sehen. Dank der Security im Graben, die mit Wasserpistolen und jeder Menge Flaschen Wasser in der ersten Reihe dafür sorgt, dass wirklich jeder dort regelmäßig zumindest einen Schluck Wasser trinkt, gibt es hier keine Hitzeausfälle. Nations Afire aus Kalifornien verbreiten gute Laune und schwitzen mit der Handvoll Fans um die Wette.
Zahnspangenalarm
The Bots, die eigentlich heute im Zelt spielen sollten, haben das große Los gezogen. Sie dürfen den Slot um 14 Uhr auf der Mainstage füllen, der sonst wegen des schlimmen Unfalls der Band Baroness leer geblieben wäre. So manch einer traut seinen Augen nicht: Zahnspangenalarm. Sie spielen wie die ganz Großen und sind doch erst… 14 Jahre alt! Spätestens nach diesem Vollgas-Auftritt weiß man, warum der amerikanische RollingStone diese Band zu einem der heißesten Newcomer des vergangenen Jahres erklärt hat. Dass sie aber wirklich noch kleine Jungs sind, zeigt sich am Nachmittag: Statt sich im Backstage zu verkriechen oder andere Bands anzugucken, verbringen die Jungs die meiste Zeit beim Skaten auf der kleinen Halfpipe neben der Zeltbühne.
Fucking Hot
Während es die Leute bei den ersten Bands des Tages noch ruhig angehen lassen haben, gibt sich Sick of it all nicht mit halbgaren Sachen zufrieden. Ohne Erbarmen fordert Frontmann Lou Koller die Menge zu Circle Pits und Wall of Deaths auf und peitscht sie mit einem unglaublich lauten Hardcore-Gewitter trotz glühender Hitze nach vorne. Während sich die Fans vor der Bühne im Pit verausgaben, belagern andere jedes noch so kleine Fleckchen Schatten auf dem Gelände. Auch, wenn er direkt neben Müllcontainern ist. Und wenn man schon nicht vorne mitmoshen kann, kann man ja mal von der Bierbude aus mitzählen, wie oft Koller innerhalb von 40 Minuten „Fuck“ sagt. Grober Durchschnittswert: 7 Mal pro Pause zwischen einzelnen Songs.
So laut wie bei Sick of it all wird es für den Rest des Tages nicht mehr. Mit Dispatch, Kettcar, Me First & The Gimme Gimmes und den Sportfreunden Stiller zieht poppige Gute-Laune-Musik auf die Mainstage. Im Zelt rocken derweil unter anderem Good Riddance. Hart, laut, schnell und wie schon den ganzen Tag über heiß. Highlight des Abends sind dann aber schlicht und ergreifend die Beatsteaks. Mit einer aufwändigen Bühnenshow, deren Technik allein mit drei Trucks angekarrt werden muss, liefern sie den fulminanten Abschluss eines gelungen Festivalwochenendes. Und endlich wird in diesen Tagen auch ein Headliner seiner Rolle mehr als gerecht.
So long, Area 4. Wir kommen wieder!
Insgesamt zeigte sich das Area 4 in diesem Jahr wieder von seiner besten Seite. Ein kuscheliges Festival, das selbst bei Witterungsbedingten Extremsituationen besonders durch gute Organisation, kurze Wege, gut gelaunte Menschen und die wohl nettesten Securities der Welt punkten kann. Einziger Makel war die dezimierte Zahl des Gastro-Angebots und der Dixis auf dem Campingplatz. So etwas lässt sich aber leicht ausbügeln. Bleibt zu hoffen, dass das Area 4 auch im nächsten Jahr wieder stattfinden kann. Denn auch wir wollen wieder laut rufen: Spiel den selben Song noch mal! Area 4, mach’s noch mal.
Text auch veröffentlicht bei: Festivalhopper.de