Ein blonder Lockenkopf, Sonnyboy-Gesicht, selbstgeschriebene, emotionale Popsongs, das Abi frisch in der Tasche. „Der perfekte Teeniestar“, dachte sich da vor knapp zwei Jahren eine große Plattenfirma, und versuchte den heute 21-jährigen Tiemo Hauer mit Songs wie „Nacht am Strand“ in die schmachtenden Herzen pubertierender deutscher Teenager-Mädchen zu pressen. Doch nicht mit Tiemo. Inzwischen hat sich der Stuttgarter aus den Klauen des Label-Riesen befreit und hat kurzerhand sein eigenes Label gegründet um sich vor dem endgültigen Teeniestar-Stempel zu retten und sich künstlerisch selbst verwirklichen zu können.
Tiemo hat klare Vorstellungen davon, wer er ist und was er machen will. „Wenn ich jemandem auf der Straße erklären muss, was für Musik ich mache, ist meine Antwort immer Popmusik. Ich muss dann aber direkt dazu sagen, dass ich alle meine Songs selber schreibe und auch selbst produziere. Viele verstehen unter Popmusik in erster Linie etwas Künstliches, Falsches. Da herrscht dann immer etwas Erklärungsbedarf“, erklärt uns Tiemo im Interview.
Mit künstlich oder falsch hat Tiemos Musik wirklich gemeinsam. Hinter seinen Texten und Kompositionen stecken ehrliche Emotionen und wahre Geschichten, die er größten Teils selbst erlebt hat. „Am allerwichtigsten ist, dass man in seinem Song eine ehrliche Aussage hat, dass etwas dahinter steckt. Worüber man singt und schreibt, muss einen selbst wirklich bewegen. Darauf achte ich beim Schreiben, dass ich immer das aufschreibe, was gerade aus mir heraus kommt und was ich gerade fühle, und nicht das, was irgendeiner Zielgruppe gefallen könnte.“
Das Zielgruppendenken überlässt er da lieber seiner ehemaligen Plattenfirma, die Tiemo über Monate von einem knallbunten Jugendformat zum nächsten schleifte, und ihn dort hauptsächlich auf sein Aussehen und das damit verbundene Potenzial als Teenie-Schwarm reduzierte. Auf die Zeit blickt Tiemo sehr kritisch zurück. „Das Teeniestar-Image hat mich schon sehr genervt. Damals sind zu meinen Konzerten fast nur kleine Mädchen gekommen, die wirklich deutlich jünger waren als ich und mit dem Inhalt meiner Musik eigentlich gar nichts anfangen konnten. Für mich fühlte es sich einfach falsch an, ausschließlich für kleine Mädchen zu spielen. Als Teeniestar ist man abgestempelt und keiner glaubt dir, dass du wirklich selbst schreibst. Das wirkt dann nur noch wie eine große Inszenierung, die den kleinen Mädchen gefallen muss. Das wollte ich nicht.“
Mit diesem Problem muss sich Tiemo inzwischen glücklicherweise nicht mehr allzu oft herum schlagen. Dank eigenem Label kann er die Formate meiden, die er selbst nicht mag. Zu seinen Konzerten kommen inzwischen viele verschiedene Leute und in Interviews geht es wieder hauptsächlich um die Musik und nicht mehr nur darum, ob der blonde Lockenkopf schon vergeben ist. „Das war auch ein Grund, warum ich mein eigenes Label aufgezogen habe“, verrät Tiemo. „Meine alte Plattenfirma hat einfach nicht verstanden, worum es mir geht. Ihnen ging es ums Geld und sie haben versucht, nach altbewährten Prinzipien Geld zu machen. Mir ging es dagegen immer um die Musik. Ich wollte lieber in Medien stattfinden, wo sich das Publikum wirklich für die Musik interessiert und nicht nur für Entertainment. Jetzt redet mir niemand mehr rein, ich kann mich viel freier um meine Musik kümmern und machen, was ich wirklich will. Das war mir einfach sehr wichtig.“
Für Tiemo ist klar, dass er, selbst wenn er mit seiner eigenen Musik nicht so erfolgreich sein sollte, trotzdem weiter in diesem Bereich arbeiten will. „Ich habe keinen Plan B und schon gar keinen ohne Musik. Ich sage immer, dass ich außer Musik gar nichts anderes richtig kann, deshalb gibt es da für mich gar keine Alternative. Vor kurzem konnte ich eine junge Band aus Stuttgart für mein eigenes Label gewinnen und produziere jetzt auch die EP. Auf der Schiene könnte ich dann auch weitermachen, auch wenn es dann nicht meine eigenen Songs sind.“
Zurzeit muss sich Tiemo darüber jedoch noch keine weiteren Gedanken machen. „Ich lasse lieber alles auf mich zukommen“, erzählt er auf die Frage hin, was er sich für die Zukunft wünscht. Gerade spielt Tiemo sich mit seiner aktuellen Wintertour und seinem Album „Losgelassen“ durch viele, vollgepackte und teilweise auch ausverkaufte Konzertsäle in Deutschland und verzaubert sein Publikum mit seiner ehrlichen, deutschsprachigen Popmusik. Unterstützt wird der leidenschaftliche Klavierspieler dabei von seiner Live-Band, mit der er seit etwa eineinhalb Jahren zusammen spielt. „Mit Band ist es einfach etwas fetziger, als wenn man sich nur das Album anhört. Wir variieren auch viel zusammen und spielen nicht einfach nur die Platte runter. Jemand, der nicht unbedingt auf meine Texte steht aber gerne einfach gute Musik hört, würde da auch Spaß haben. Die Musiker haben nämlich echt was drauf.“
Fotos: Steffen Burger