Album Review: Milliarden – „Betrüger“

Es scheint ganz so, als könnte ich meine Review-Reihe „Bands, die keinen Weichspüler trinken“ diesen Sommer einfach nahtlos fortsetzen. Seit Freitag ist Betrüger, das Debütalbum von Milliarden, in den Läden. Hierauf zeigt sich die Berliner Band genauso, wie ich sie im Frühjahr kennengelernt habe. Mit jeder Menge Energie, Leidenschaft und vielen großartigen Geschichten, verpackt in hartnäckigen Ohrwürmern.

Auf dem Rückweg vom A Summer’s Tale Festival läuft Betrüger im Auto auf Dauerschleife. Schon nach wenigen Momenten merke ich, wie ich unbewusst auf dem Lenkrad herum trommele und versuche Textzeilen mitzusingen, die ich eigentlich noch gar nicht kenne. Ich sehe es schon kommen, ich werden den Rest des Tages Fragmente des Albums laut bewusst oder unbewusst vor mich hin trällern. Aber Britta neben mir kennt meine Ohrwurm-Eskapaden ja schon.

Ist das ein gutes oder schlechtes Zeichen? In diesem Fall definitiv ein gutes. Milliarden wissen die Songs so aufzubauen, dass man trotz super eingängiger Melodien trotzdem an jeder Zeile hängt und keine Silbe verpassen will. Zwischen den meistens erst einmal relativ gut gelaunt klingenden Melodien verstecken sich Geschichten, die teilweise alles andere als lustig sind, sondern eher nachdenklich stimmen. Ein Kontrast, der sich in vielen Formen durch das Album zieht. Dazu jede Menge Wortwitz, Ironie, Sarkasmus und trotz allem auch eine gute Portion Optimismus.

Wie sagte der Chefredakteur der Galore beim Interview-Workshop noch so schön? Wir brauchen einen Konflikt für ein gutes Interview. Ecken und Kanten. Sonst wird es langweilig. Von genau diesen Ecken und Kanten gibt es auf Betrüger jede Menge. Ben und Johannes singen oder schreien die Dinge in ihren Songs so raus, wie sie sind. Sie leiden, freuen sich, sind albern und ernst. Ungeschönt, kompromisslos, echt. Dabei jedoch niemals platt. Es gibt eigentlich immer noch eine zweite oder dritte Ebene zu entdecken, die sich heimlich anschleicht und einen spätestens beim zweiten Hören mitten im Song von hinten anspringt und nicht mehr loslässt.

So geht es mir zumindest mit „Oh Chérie“, „Im Bett verhungern“, „Katy Perry“, „Friedrichsdorf“ oder „Blitzkrieg Ballkleid“. Ich könnte hier jetzt noch ein paar andere Songs aufzählen, aber dann könnte ich vermutlich auch einfach die ganze Trackliste des Albums posten.

Insgesamt erinnern mich Milliarden auf ihrer Platte auf extrem gute Art und Weise an Rio Reiser, ein kleines bisschen auch an Selig. Dazu gibt es ihre ganz eigene Note im Sound, kombiniert mit ihrer von Grund auf ehrlichen Punkrock-Attitüde. Damit ist Betrüger endlich mal wieder eine deutschsprachige Platte mit Herz bei einem Major, die keine Angst hat, den Mund aufzureißen und  sich richtig schön vom ganzen langweiligen Radio-Pop-Einheitsbrei von Giesinger, Forster, Bourani und Co. abhebt. Man muss sich eben nicht auf nur ein Genre festlegen. Dass Punk, Pop, Rock und Songwriter-Sachen auch genauso gut zusammen funktionieren, zeigen Milliarden hier wunderbar. Danke dafür, Milliarden! (Jetzt müssten sich die Sender nur noch trauen, die Songs auch regelmäßig zu spielen…)

 

Milliarden auf Betrüger Tour

27.10.16 Bremen, Tower
28.10.16 Braunschweig, Eule
29.10.16 Düsseldorf, Tube
02.11.16 München, Backstage Club
03.11.16 Zürich, Bogen F
04.11.16 Stuttgart, Kellerklub
05.11.16 Frankfurt a.M., Nachtleben
10.11.16 Wien, B72
11.11.16 Augsburg, Soho
12.11.16 Jena, Kassablanka
17.11.16 Münster, Spuntik Cafe
18.11.16 Trier, Exhaus
19.11.16 Nürnberg, MUZ Club
24.11.16 Berlin, Bi Nuu
25.11.16 Rostock, Mau Club
26.11.16 Hamburg, Molotow

Betrüger_Cover_1400x1400_klein

Foto: Peter Kaaden Vertigo Capitol

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert