Vergangenen Sonntag war ich zusammen mit Tobias Kästner von Bildabuch.de für den Festivalhopper bei Rock im Pott 2013 in Gelsenkirchen. Viele von Euch haben ja fleißig meinen Twitter Feed an diesem Tag verfolgt. Danke dafür! Jetzt könnt Ihr hier auch noch den Bericht nachlesen.
Gelsenkirchen. Am vergangenen Sonntag wurde die Veltins Arena nicht von jeder Menge Fußballfans, sondern zur Abwechslung mal von einem großen Haufen Musikjüngern heimgesucht. Gut 27500 Besucher fanden ihren Weg zur zweiten Auflage des Rock im Pott Festivals – 14000 weniger als zur Premiere 2012. Doch das tut der Stimmung keinen Abbruch: trotz gähnender Leere auf dem Oberrang und gleich mehreren leeren Blöcken in den Kurven wurden besonders Tenacious D, Volbeat und System of a Down abgefeiert. Biffy Clyro, Deftones und ganz besonders Casper hatten es dagegen eher schwer.
Es ist sogar noch ein paar Minuten vor 14 Uhr, als die schottischen Indierocker von Biffy Clyro die Rock im Pott-Bühne überpünktlich entern. 45 Minuten lang fegen sie mit jeder Menge Energie über die Bühne und geben ihr bestes, das noch etwas träge Rock im Pott-Publikum aufzuwecken. Ihre melodischen Nummern reißen einige Fan-Mädchen zum Mithüpfen hin, der Rest der Halle scheint mit der Band nicht allzu vertraut zu sein und begutachtet lieber etwas träge, was der gut gelaunte Frontmann in der roten Hose auf der weit entfernten Bühne denn da so treibt. Nur bei den Radio-Singles „Black Chandalier“ und „Biblical“ wacht die Menge ein bisschen auf. Die Ränge der Arena sind noch sehr dünn besetzt, man kann sogar noch in Teilen das „Schalke 04“ lesen.
Draußen regnet es, jede Menge Fans stehen rund um die Arena noch in einer langen Schlange und warten. Da der Oberrang aus „produktionstechnischen Gründen“ geschlossen werden musste, müssen all jene mit Tickets für den Bereich sich hier nun Umtauschkarten besorgen. Sie werden auf die freien Plätze im Unterrang verteilt.
Währenddessen donnern Deftones ebenfalls pünktlich um kurz nach 15 Uhr los. Mit im Gepäck haben sie ihre kunstvoll aufgebauten Rocknummern mit vielen gedropten Gitarren, Bässen und Schlagzeuggewittern, mit denen sie sich bemühen, die Veltins Arena aus ihrer Mittagsschlafstimmung zu befreien. Gefühlt besteht das Set großteilig aus Songs ihrer letzten beiden Platten „Diamond Eyes“ und Koi No Yokan. Frontmann Chino gibt sein bestes, die Energie hinaus in die riesige Arena zu schicken, doch für den frühen Nachmittag ist die Musik der Deftones nicht gerade die leichteste Kost. Ähnlich träge wie bei Biffy Clyro beobachtet man lieber und bereitet sich scheinbar mental auf den Rest des Tages vor. Nur nicht zu viel Energie verschwenden, das Festival dauert schließlich noch gut eine ganze Arbeitsschicht. Erst als die Deftones System of a Down erwähnen, geht zum ersten Mal an diesem Tag ein kleiner Jubelsturm durch die Halle, fast alle Hände im Innenraum recken sich gen Himmel.
Dass die Menschen in der Arena durchaus wach sind, merkt man dagegen, als Casper auf die Bühne springt. Der Bielefelder Rapper passt aus der Sicht des Publikums so gar nicht ins Line-Up und das lässt ihn ein Großteil der Menge auch gnadenlos spüren. Zunächst werden seine Animationsversuche weitestgehend ignoriert, zuletzt wird er lautstark ausgebuht. Casper aka Benjamin Griffey weiß aber respektabel mit dem sich auftürmenden Hate-Storm umzugehen, kokettiert mit der Ablehnung („Ja, ich find‘s auch zum Kotzen!“) und zieht trotz mieser Stimmung sein Programm mehr oder weniger souverän weiter durch. Dann spielt man die XOXO-Festival-Setliste eben nur für die ersten 10 Reihen. Geht auch. Da stehen die Fans, die wollen ihn sehen. Der neue Song „Im Ascheregen“ ist nicht dabei, aber das macht hier jetzt auch keinen Unterschied mehr. Der einzige, der hier „auf Schalke“ anscheinend noch mehr gehasst wird, ist der 1. FC Schalke 04 selbst.
Ganz anders sieht es dagegen nach dem Change Over bei Tenacious D aus, die in schwarze Kutten gehüllt und von mystischen Klängen begleitet die Bühne betreten. Das vorhin noch mit so viel Ablehnung erfüllte Publikum feiert das Klamauk-Duo wie ein Wunderwerk der Schöpfung. Zum ersten Mal steht wirklich das ganze Stadion, jeder klatscht mit und jubelt begeistert nach jedem Wort von Jack und Kyle. Die beiden spielen sich quer durch ihre 11-jährige Bandgeschichte, Gassenhauer wie „Tribute“, „Roadie“, „The Rize of the Fenix“ oder „Fuck her gently“ dürfen dabei natürlich nicht fehlen. Als Backdrop fungiert ein monströser Phoenix, der aber eigentlich ein getarnter Phallus ist. Rise of the Phoenix eben. Fliegendes Klopapier, Moshpits, Crowdsurfer – Jack Black und Kyle Gass sind bestens gelaunt und genießen sichtlich die hervorragende Stimmung. Die heizen sie dann auch mit ihren Gags zwischen den Songs weiter an, die Menge kocht und fordert einstimmig Zugabe, als die Herren nach getaner Arbeit 75 Minuten später die Bühne verlassen.
Die Stimmung bleibt auch bei Volbeat hochkochend. Die Rocker aus Dänemark holen die Meute mit ihrer melodiösen Mischung aus Rock, Punk, Metal und Country direkt ab und sorgen für regelrechte Begeisterungsstürme im Innenraum. Überall bilden sich Moshpits, man tanzt und springt und lässt sich vom Volbeat-Frontmann gerne zu Interaktionsspielchen hinreißen. Der fackelt dann im Laufe der 90-minütigen Show auch gleich das ganze Feuerwerk der Publikumsanimation ab, inklusive „Ring of Fire“-Cover. Klatschen, Mitsingen, Moshen. Definitiv ein Highlight des Festivals.
Zu, für einen Sonntag, schon fortgeschrittener Stunde folgt schließlich das Grand Finale – System of a Down. Die Truppe rund um Serj Tankian donnert gleich mit einem ihrer bekanntesten Songs los: „Aerials“. Die Veltins Arena verwandelt sich erneut in einen einzigen, fanatischen Jubelsturm. Kein Wunder, so ist es doch auch schon eine ganze Weile her, dass SOAD so ausgiebig in Deutschland unterwegs waren. Wenn man sich den Set voll und ganz hingibt, fühlt sich direkt in die frühen Nuller Jahre zurück versetzt, und so werden vor allen Dingen die Songs der Alben „Toxicity“ und „Mezmerize“ ganz besonders abgefeiert. Die Songliste des Abends hört sich an, wie eine Kreuzfahrt durch die größten Momente der Band – „Chop Suey!“, „Toxicity“, „Prison Song“, „BYOB“ – um nur einige wenige der insgesamt 23 Stücke zu nennen. Bei all der Energie auf der Bühne und vor der Bühne ist es eigentlich schwer zu glauben, dass das letzte Album von System of a Down inzwischen bereits acht Jahre auf dem Buckel hat.
Insgesamt präsentierte sich Rock im Pott auch in diesem Jahr als gelungenes, sehr gut organisiertes Festival, das sich aufgrund des Besucherschwundes jedoch wahrscheinlich auch Gedanken machen muss, wie es weiter geht. Bisher steht noch kein Termin für 2014. Wir hoffen auf jeden Fall auf eine Neuauflage, denn besonders für Menschen, die aus verschiedensten Gründen keine drei Tage auf einer Veranstaltung verbringen können, ist Rock im Pott eine gute Alternative.
Großartige Fotos von Tobias findet Ihr auf Festivalhopper.de.