Heiß, schwitzig, wunderschön. So könnte man den Dienstagabend, 16. April, mit Bosse im FZW in Dortmund zusammenfassen. Im Rahmen seiner „Kraniche“-Tour spielte der gebürtige Braunschweiger Musiker dort vor ausverkauftem Haus eine mitreißende Show, die so ziemlich allen Besuchern am Ende ein begeistertes Grinsen ins Gesicht zauberte.
Obwohl wir relativ spät am FZW in Dortmund ankommen, zieht sich die Schlange immer noch beinahe hundert Meter die Straße hinauf. Wie lange musste ich eigentlich schon nicht mehr für ein Konzert ernsthaft anstehen? Ich kann mich nicht mehr an das letzte Mal erinnern. Die Schlange bewegt sich aber relativ flott, sodass meine Begleitung und ich am Kassenfenster recht fix unser Sprüchlein aufsagen dürfen. Alles geht glatt, wir stehen auf der Liste. Ich will mich gerade umdrehen und an der Security vorbei gehen, als mir das nette FZW-Mädel hinter der Glasscheibe noch zuruft: „Moment, hast du noch ein Foto-Dingsda dabei?“ Ich denke Ausweis mit Foto und ziehe gut vorbereitet meinen Perso aus der Tasche. Sie guckt verdattert und hält den Stapel Fotopässe in der Hand: „Äh, ich meinte eine Foto-Kamera. Machst du heute Fotos?“ Mir klappt die Kinnlade runter. Die habe ich natürlich nicht dabei, hatte ich ja auch nicht angefragt. Da wollte mir der Veranstalter wohl etwas Gutes tun. Dumm nur, dass ich nichts davon wusste. Und noch dümmer, dass mir erst nach Konzertbeginn einfällt, dass ein Fotografenfreund von mir in Dortmund wohnt und mir sicher hätte etwas leihen können. Die „Geh doch mit deinem iPhone in den Graben“-Variante schenke ich mir lieber.
Kurz nach 20 Uhr, das Licht wird leicht gedimmt. Bosse kommt relaxt und gut gelaunt auf die Bühne geschlurft und kündigt seine zwei Support Acts an: Sängerin Elif aus Berlin und die Band Tonbandgerät aus Hamburg. Elif macht den Anfang und gibt sich mit ihren deutschen Popsongs redlich Mühe, das Publikum aus der Reserve zu locken. Eine gute Stimme hat sie zwar, jedoch irgendwie will der Funke nicht so recht überspringen. Mich erinnert der Auftritt an eine groteske Mischung aus Christina Stürmer und Tina Dico, nur eben in nicht so gut. Belanglos und fast schon etwas langweilig ist die Musik. Die Stücke klingen alle sehr ähnlich und schon am Ende des Sets kann ich mich an keine einzige Textzeile mehr erinnern. Kein gutes Zeichen.
Besser wird es da bei Tonbandgerät. Die Gewinner des New Music Awards 2012 wirken zwar recht nervös, machen ihre Sache auf der Bühne aber nicht schlecht. Gut gelaunt spielen sie sich durch ihr halbstündiges Set aus deutschsprachigem Pop mit leichtem Rockeinschlag. Relativ gute Texte, nette Melodien. Den Leuten gefällt’s und immer wieder wird auf das Debüt-Album hingewiesen, was am Freitag, 19. April, erscheinen soll. Bei bei Tonbandgerät durchaus Potenzial vorhanden, nur könnten einige ihrer Songs noch etwas mehr Feuer vertragen. Bis auf ihre Debüt-Single „Irgendwie anders“ klingt alles sehr glatt, vielleicht sogar etwas verkopft, oder wie aus einer KIKA-Serie. Jungs und Mädels, traut Euch mal was! Ein bisschen mehr Distortion kann Wunder bewirken.
Dann ist es endlich soweit. Das Hauslicht erlischt vollkommen und Bosse entert endlich zusammen mit seiner sechsköpfigen Band die Bühne. Bunte Ballonlampen tauchen den vorderen Teil der Halle in weiches Regenbogenlicht. Die ersten Töne von „Kraniche“, dem Titelsong des aktuellen Albums erklingen und schon lächelt fast das komplette FZW selig. Aki ist bestens gelaunt, fegt über die Bühne, singt voller Inbrunst jede Textzeile und entschuldigt sich immer mal wieder für seinen unfreiwillig komischen Tanzstil. Zwischen den Songs klebt die ganze Halle an seinen Lippen und hört gespannt zu, wenn der super sympathische Kerl da auf der Bühne Anekdoten zu den Songs oder aus dem Musikerleben erzählt. So erzählt er nach ein paar Songs, dass er sich seine Hose extra ausgesucht hat, weil im Laden gesagt wurde, dass man Schweißflecken darauf nicht so schnell sehen würde. „Na toll, und jetzt fühlt sie sich trotzdem schon an, wie so ne Voltigier-Hose. Ich habe sogar mal voltigiert. Ich weiß, wie sich das anfühlt,“ erzählt er. Der Plan geht also nicht so ganz auf, das Publikum ist von Bosses ehrlicher Art aber begeistert.
Überhaupt gibt sich Bosse herrlich natürlich, vollkommen ohne Allüren und ganz nah am Fan. Bei „3 Millionen“ klettert er kurzerhand über die Absperrung mitten ins Publikum und tanzt dort einfach für ein paar Minuten weiter. Ein kleines Mädchen aus der ersten Reihe, das gerade mal zwölf, laut Bosse aber schon auf dem Weg zur kleinen Dame ist und schon jeden Text mitsingen kann, darf später nach dem Konzert für lau den Merchstand leer räumen, so begeistert ist Bosse vom wohl jüngsten Fan im FZW.
Fast zwei Stunden lang spielt sich Aki mehr oder weniger quer durch seine Musikgeschichte. „Liebe ist leise“, „Alter Strand“, „Tanz mit mir“, „Frankfurt Oder“, „Die Schönste Zeit“, „Sophie“, „Alter Affe Angst“, „Vier Leben“, „Istanbul“, „Vive la Danse“, „Yipi“, „Roboterbeine“ und „Konfetti“ sind nur ein paar Songs aus dem Set, die mir spontan wieder einfallen. Mein persönliches Highlight ist „Niemand vermisst uns“ vom allerersten Album Kamikazeherz. Leider merkt man, dass viele der Anwesenden die ganz alten Sachen gar nicht mehr kennen, aber so können sie diese wenigstens noch zum Teil kennenlernen. Ansonsten wird jeder Song lauthals mitgesungen und das volle Rockstar-Animationsprogramm aus Call & Response, Arme schwenken und mit klatschen begeistert abgearbeitet. Durchgeschwitzte Körper mit glücklichen Gesichtern sind das Resultat, als Bosse sich nach seinem Zugabenblock mit „Konfetti“ von den Dortmundern verabschiedet.
Aki Bosse ist endgültig dort angekommen, wo er hingehört: Im Herzen eines großen Publikums. Das jahrelange Dasein als Geheimtipp in kleinen ranzigen Clubs und Kneipen hat sich ohne Frage gelohnt. Ich wünsche Bosse, dass es für ihn auf diesem hohen Niveau jetzt noch eine ganze Weile weitergehen wird.
Vielen Dank an Britta Flachmeier für die Fotos!