Vor einigen Wochen bekam ich nach einem Vorstellungsgespräch bei einem großen Musikmagazin in Berlin die Aufgabe, eine zusätzliche Textprobe zu verfassen. Ein persönlicher musikalischer Jahresrückblick sollte es sein. Wie gut, dass die Maya für den 21. Dezember den Weltuntergang voraus gesagt haben, denn nur so konnte diese schräge, musikalische Superhelden-Geschichte entstehen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Glaubt man an den Kalender der Maya, geht am 21. Dezember 2012 die Welt unter. Vielleicht ist da sogar was dran. Wenn die Toten Hosen mit dem Schlager flirten und fast schon wie Pur klingen, Robbie Williams Kinderlieder singt, und sich die halbe Welt begeistert von einem verrückten Koreaner terrorisieren lässt, der auf seinem imaginären Schaukelpferd durch die Gegend reitet, kann das Ende nicht mehr weit sein. Eigentlich. Denn zum Glück gab es auch 2012 wieder eine ganze Reihe großer und kleiner musikalischer Superhelden, die uns mit Sicherheit noch einmal vor dem Untergang bewahren können.
Allen voran The Soundtrack of Our Lives. Wer an ihnen vorbei will, bekommt es mit dem Universum zu tun. Die Schweden gaben zwar im Frühjahr ihre bevorstehende Trennung bekannt, konnten sich aber mit ihrem Album „Throw it to the Universe“ noch ein letztes großes Denkmal setzen. Emotional, stark und erhaben. Neben ihnen schwingt Amanda Palmer ihr feministisches Superheldinnen-Schwert gegen den Niedergang der Musik. Oder lieber doch gleich gegen Carly Rae Jepsen. Amanda Fucking Palmer, der selbsternannten Queen des Crowdfunding, ist es gelungen, mit „Theatre is evil“ in Eigenregie ein neues Album voller Synthie-Rockdrama und Piano-Wahnsinn an den Start zu bringen, vor dem sich selbst der Sender Arte verneigen würde.
Als unverwüstliches Bollwerk versperren The Gaslight Anthem der Sturmflut des schlechten Musikgeschmacks unverfroren den Weg. Mit „Handwritten“ zeigen Brian Fallon und Co, dass es auch heute keiner irrsinnigen Technik bedarf, ein schlicht authentisches, bodenständiges Rockalbum zu produzieren. Sowohl textlich als auch musikalisch sucht diese Platte in seiner gesamten Intensität dieses Jahr seines gleichen. Derweil hüpfen Deichkind als Ablenkungskommando hyperaktiv auf dem Gaslight-Damm herum und verwirren die Radiomasse mit blinkenden LEDs, fetten Bässen und ihrem „Befehl von ganz unten“. Der lautete offensichtlich, sämtliche Flo-Rida und Rihanna-Fans moralisch zu untergraben und ihnen mit „Leider geil“ das verbale Duckface des Jahres in die Lipgloss-Gesichter zu tackern. Chapeau.
Hinter der Front singt zur gleichen Zeit das Country-Duo The Civil Wars die wiederauferstandene Nervensäge der Nation, a.k.a. Eurovision-Lena und all ihre von Stefan Raab gepushten Nachahmer, sofort zurück in den Schlaf. Mit den sanften Tönen und dem minimalem Arrangement des Albums „Barton Hollow“ können die beiden Amerikaner hierzulande so gerade noch Schlimmeres verhindern. Auch wenn es ihnen zugegeben nicht gelungen ist, Taylor Swift außer Gefecht zu setzen. Vollkommen unbeeindruckt von der Gefahr des drohenden Weltuntergangs ritten Gisbert zu Knyphausen und Nils Koppruch mit ihrer gemeinsamen Platte „Kid Kopphausen“ in die Schlacht. Das ritterliche Ergebnis: intelligente deutschsprachige Musik, weit weg vom aufgeblasenen Tim Bendzko-Platin-Trallala und Xavier Naidoo-Geheule. Leider kehrte Knyphausen allein vom Untergangskampf zurück. Mitte Oktober starb Nils Koppruch überraschend und hinterließ eine klaffende Lücke in der Hamburger Musiklandschaft.
Trotz dieses schmerzlichen Verlustes stehen die Zeichen weiterhin gut, dass uns der Weltuntergang im Dezember aus musikalischer Sicht noch einmal erspart bleibt. Die letzte Rettung für die verstrahlten Gangnam-Style-Tänzer ist Lukas Graham. Kurz vor knapp. Es müsste schon mit dem Teufel –oder Pardon, mit den Maya– zugehen, wenn der Däne mit dem frisch veröffentlichten Self-titled-Album nicht den Großteil dieser hoffnungslosen Fälle bekehren könnte. Die, die bei Lukas Graham nicht freiwillig vom imaginären Schaukelpferd fallen und lieber weiter vollkommen idiotisch durch die Gegend hüpfen, stecken sowieso mit den Maya unter einer Decke.
Natürlich gab es noch mehr tolle Bands, die dieses Jahr den Weltuntergang verhindern können. Allerdings gab es eine Zeichenbegrenzung bei dieser Aufgabe. Auch mit dabei sind auf jeden Fall noch Hot Water Music.
Danke für den lieben Kommentar
Und toller musikalischer Rückblick!
Hab ein wenig auf deinem Blog gestöbert und mag ihn sehr gern – werde in Zukunft definitiv öfter vorbeischauen
Lg Tina
bzw. habe dich mal abonniert 😉
Danke, dein Blog ist auch super und seit gerade auch abonniert 😉 Wenn du so spannend weiter machst, packe ich dich auch gerne in meine Linkliste rechts 🙂