Maxim im Interview – „Zahlen und ich sind Feinde“

Melancholische Musik, Nachdenklichkeit, Zukunftsangst. Diese Themen bestimmen Maxims neues Album „Asphalt“, das am Freitag frisch in die Regale kommt. Der Singer/Songwriter hat sich nicht immer der emotionalen, akustischen Gitarrenmusik verschrieben – früher hat der sympathische Musiker aus Bonn bereits zwei Reggae-Platten rausgebracht. Passend zum Release seines neuen Albums habe ich ihm ein bisschen auf den Zahn gefühlt um herauszufinden, was für eine Person Maxim ist, was ihn inspiriert und was er macht, wenn er mal gerade keine Klampfe in der Hand hat.

Wenn dich jemand auf der Straße trifft und du ihm erzählst, dass du Musik machst – wie würdest du so einer zufälligen Begegnung deine Musik beschreiben?

Das ist Gitarrenmusik mit geilen Texten. Nein, Spaß. Es ist einfach Musik mit Fokus auf Gesang, auf Texte und Gitarre. Das Problem ist, dass man es nicht so richtig einordnen kann. Für Musik, die da irgendwo zwischen Pop und Singer/Songwriter wandelt, gibt es ja keine richtige Schublade, die da einen richtigen Sinn ergibt. Nicht so wie bei Heavy Metal. Wenn man Heavy Metal sagt, weiß ja jeder, was gemeint ist. Bei meiner Musik ist das schwierig zu beschreiben. Sie ist auf jeden Fall noch melancholisch.

Woher nimmst du die Inspiration für deine Musik?

Ich kann jetzt nicht genau sagen, welche Künstler mich zu welchem Song inspiriert haben, aber ich glaube schon, dass es im Prinzip ein Gedächtnis für Harmonien gibt, oder für Stimmungen, an die man sich dann irgendwann wieder erinnert und die dann mit in die Musik einfließen. Wenn man einen Song oft hört, den geil findet, und der einen prägt, versucht man ja nicht direkt danach, den eins zu eins oder ähnlich noch mal so zu machen. Das würde man nie tun, man will sich ja unterscheiden. Aber wenn man das dann verarbeitet hat und Zeit vergangen ist, glaube ich schon, dass das mit in die eigene Musik einfließt. Dann erinnert man sich vielleicht auch gar nicht mehr daran, dass das in Wirklichkeit genau die fünf Akkorde von dem einen Lied sind, dass man vor Jahren irgendwann mal geil fand.

Hast du irgendwelche Künstler, die dich beeinflusst haben?

Ja klar. Bob Marley, Dylan, vieles von meinem Vater. Ich glaube, dass die musikalische Erziehung, die man unbewusst durch seine Eltern bekommt, dass diese Musik einen krass prägt. Bei meinem Vater war das auch viel Singer/Songwriter Kram wie Bob Dylan, Hannes Vader, deutsche Liedermacher oder sogar die Dire Straits. Im Nachhinein ist das teilweise zwar gar nicht immer so geil, aber ich glaube trotzdem, dass das einen beeinflusst. Aktuell finde ich „The Tallest Man On Earth“ extrem geil. Das ist auch ein Typ nur mit Gitarre, extrem geiler Künstler. Aber ich höre auch nach wie vorne gerne Nas und Damian Marley. Also eine ganz bunte Mischung quer durch‘s Beet.

Wie entsteht bei dir ein Song? Erst der Text oder erst die Musik?

Beides gleichzeitig. Ich sitze da, habe die Gitarre in der Hand und spiele rum. Ich kann das gar nicht so richtig beschreiben. Mir fallen dabei Wörter ein, die ganz geil sind und die es wert sind, weiter zu schreiben. Dann schreibe ich auch weiter, aber es kann dann auch sein, dass ich die Akkorde noch mal verändern muss oder anders herum. Auf jeden Fall sitze ich immer mit meiner Gitarre da und irgendwann gibt es nen Song, den ich dann mit dem Text und der Melodie so jemandem vorsingen könnte. Das mache ich dann auch. Wenn ich dann mal irgendwo nur mit Gitarre spiele, probiere ich vor den Leuten auch gerne mal ganz neue Songs aus um zu sehen, wie das so klappt.

Gibt‘s dann auch Songs, die du nach so einem Vorspiel noch mal umschreibst, wenn das Publikum nicht so darauf reagiert wie erhofft?

Ja, oder anders. Das kann schon passieren. Jetzt nicht direkt beim ersten Mal. Da ist das oft noch schwer zu beurteilen, weil das ja keine Musik zum Abfeiern ist. Die Leute brauchen auch nicht laut zu klatschen. Ich fordere die Leute auch nicht auf „jetzt seid mal laut“ oder so‘n Kram, das würde ja auch gar nicht zu der Musik passen. Manchmal ist das ein bisschen schwer zu durchschauen, was finden sie geil, was finden sie nicht geil. Da muss man dann schon erkennen ob die Augen leuchten oder nicht. Wenn einem dann die großen Scheinwerfer ins Gesicht ballern, ist das natürlich nicht so einfach, aber man spürt natürlich was gut ankommt und was nicht. Wenn ich das ein paar mal gemacht habe, merke ich einfach ob sich das richtig oder falsch angefühlt hat. Je nach dem würde ich den Song dann so beibehalten oder wieder verwerfen und noch mal neu versuchen.

Was machst du, wenn du keine Musik machst?

Musik (lacht). Nein, was mache ich denn? Langweilige Sachen, die jeder sonst auch macht. Am Rhein ein bisschen Joggen gehen, durch die Stadt latschen, auf der Brücke ein Bierchen trinken oder, was mache ich denn noch gerne, wenn ich keine Musik mache? Ich mache ziemlich viel Musik, das ist gar keine leichte Frage. Man muss sich ja auch immer noch um so viel Mist kümmern, wie Emails checken, die Steuererklärung und so Zeug. Natürlich auch noch Freunde treffen, Familie treffen und was jeder sonst auch so macht.

Hast du dein ganzes Leben lang schon Musik gemacht, oder hast du beruflich auch schon mal andere Versuche gestartet?

Nicht wirklich. Ich habe schon mal so Studierversuche gestartet, die dann auch immer nach dem ersten Semester wieder direkt gescheitert sind. Ich war eigentlich ganz gut in der Schule. Es ist also nicht so, dass ich es nicht könnte, aber es interessiert mich einfach extrem wenig. Studium ist so eine Situation, mit der ich einfach nicht klarkomme. Da ist jemand, der dir sagt, jetzt muss du das und das lernen. Das fand ich in der Schule immer schon schlimm, da habe ich mich da aber irgendwie durchgebissen, weil es auch gar nicht anders geht. Schule muss man ja nunmal machen. Aber nach dem Abi hatte ich ganz krass das Gefühl „so was will ich nie wieder haben“. Ich will nur noch Sachen machen, die mir konkret was bringen. Ich habe auch nicht Musik studiert, ich habe mich einfach hingesetzt und versucht besser zu werden, in dem was ich mache. Learning by Doing halt. Insofern kann ich wirklich nicht behaupten, dass ich ernsthaft schon mal andere Sachen versucht hätte.

Wenn‘s so klappt, ist doch super. Studieren kann man ja immer noch, wenn man dann irgendwann wirklich Lust dazu hat. Das läuft einem ja nicht weg.

Ich hoffe es. Ich habe schon ein bisschen Angst davor, wenn dann so eine riesige Lücke dazwischen entsteht, zwischen den Dingen, die man lernen muss aber gar nicht lernen will, und dann muss man doch noch mal dahin zurück. Da habe ich echt Panik vor, wieder zurück in den Hörsaal zu gehen. Oder zu rechnen, das ist das allerschlimmste. Wenn man die ganze Zeit mit Sprache und Musik auseinandersetzt, dann gehen Zahlen einfach nicht mehr. Zahlen und ich sind einfach Feinde. Je mehr man sich mit Sprache und Texten beschäftigt, desto mehr löscht man seine Beziehung und sein Verständnis für Zahlen, habe ich das Gefühl. 

 

Du bringst am 23.09. dein neues Album „Asphalt“ an den Start. Insgesamt ist das bereits dein dritter Longplayer. Was ist im Vergleich zu deinen letzten Alben anders?

Vieles ist anders. Es ist gibt darauf keinen Reggae mehr, außerdem gibt es einen klaren Focus auf Gitarre und Texte. Dazu ist wesentlich weniger fröhlich. Meine Stimme hat sich auch verändert, aber das ist normal. Über die Jahre verändert sich eine Stimme eben.

Insgesamt ist „Asphalt“ mit allen Singles und EPs schon dein zwölfter Release. Du wirst aber immer noch als „Newcomer“ betitelt, zum Beispiel von N-JOY als „Newcomer des Monats“. Was ist das für ein Gefühl, nach so langer Zeit immer noch so gesehen zu werden?

Tja, keine Ahnung. Ich denke da nicht wirklich drüber nach, kann das aber auch verstehen. Bei mir ist es eben nicht so, dass ich der „Star“ bin, noch nicht (lacht). Insofern ist doch klar, die N-JOY-Hörer kennen mich nicht, weil die dort meine Musik nicht gespielt haben, deshalb bin ich für die der Newcomer. Das ist vollkommen ok. Ich war zwar auch schon mit meinem ersten Album „Newcomer des Jahres“ in der Riddim, der Reggae Zeitschrift. Das ist auch schon 1000 Jahre her, aber ich versuche mir einzureden, dass das nichts mit der Qualität meiner Musik zu tun hat.

Gibt‘s auf dem Album einen Song, der dir besonders am Herzen liegt?

Nein, kann ich gar nicht sagen. Es sind einige Songs und immer eher einzelne Zeilen, die mir am Herzen liegen. Ich kann mich auf keinen Fall selbst zitieren, das ist ekelhaft. Aber dass ich sage, der Song spiegelt mich perfekt wieder und die anderen stehen da drunter, kann ich überhaupt nicht sagen. Ich glaube, es ist einfach ein gutes Album.

Abhängig von der Tagesform, welchen Song würdest du heute als Anspieltipp rausgeben?

Heute wäre das „Meine Worte“. Da haben wir gerade auch ein Video zu gedreht, das hat mega Spaß gemacht. Deshalb habe ich mega Bock auf den Song und würde den zeigen.

Was bedeutet der Titel „Asphalt“ für dich?

Eigentlich hängt das an dem Song. Man bewegt sich in der Stadt, mit all den Möglichkeiten, die man da eigentlich hat, aber man findet trotzdem nicht richtig Halt. Es gibt so eine Zerrissenheit, die unsere Generation auch ein bisschen spiegelt. Man möchte nicht so ein Spießerleben führen, alles durchgeplant und festgefahren ist, und irgendwann gibt‘s Hochzeit und Kinder, aber man möchte auch nicht komplett nur die Stadt und die Nächte fliegen. Man sucht irgendwo Halt. Man ist immer so ein bisschen hin und her gerissen zwischen den Zukunftsängsten. Man will frei sein, aber auch nicht einsam sein. Also immer so Sachen, die niemals klappen werden. Es ist ja immer so, dass nie etwas perfekt ist und dass man nie das bekommt, was man eigentlich will. Um diese ganzen Sachen dreht sich dieser Song und er spiegelt ganz gut meine allgemeine Situation und die vieler Leute in meinem Alter wieder. Deswegen habe ich diesen Titel gewählt. Außerdem kam dann auch noch dazu, dass ich in der Endphase des Albums einen extremen Asphalt-Koller hatte. Man ist ja ständig davon umgeben und ich hatte das ganz krasse Bedürfnis da raus zu kommen, aber das ging leider nicht. Ich musste weiter in den Keller und Musik machen, ich konnte nicht einfach in den Wald ziehen oder an den Strand gehen. Im Endeffekt geht es einfach um Zerrissenheit und das mangelnde Talent, glücklich zu sein.

Bist du denn aus deinem Asphalt-Koller wieder raus gekommen?

Ja, wir haben das Video dazu komplett in der Natur gedreht. Einen Tag oben in Kiel, noch ein bisschen weiter nördlich, direkt am Meer. Ein Tag kann alles schon wieder besser machen. Dann ist auch noch die Sonne rausgekommen. Ein riesiger menschenleerer Strand, wunderschön.

Erzähl uns doch bitte noch etwas zu ein paar Songs: „Schüsse in die Luft“.

Um ganz ehrlich zu sein, geht es bei „Schüsse in die Luft“ und „Alles versucht“ weniger um mich und eher um familiäres Geschehen. Meine Eltern haben sich scheiden lassen, das auch sehr spät. Irgendwann war das alles passiert und man hat das alles verarbeitet, dann findet das Ganze seinen Weg in den Song. Wenn man dann die Eltern wieder sieht, die so lange zusammen waren, und dann ist plötzlich alles vorbei, fühlt sich das an wie Schüsse in die Luft. Man hat halt viel investiert, und am Ende ist es eigentlich nichts geworden. Genauso bei „Alles versucht“. Die beiden Songs sind thematisch sehr ähnlich. 

„Gefährliche Zeiten“ – Worum geht‘s?

„Gefährliche Zeiten“ ist ein Song über Big Brother. Man kann immer alles darauf schieben, dass ja alles so gefährlich ist, und deswegen muss hier noch eine Kamera aufgestellt und hier das Internet überwacht werden. Da ist so der prägnante Satz, man ist in einem Glashaus, doch die Scheiben sind verspiegelt. Die können dich sehen, du kannst sie nicht sehen. Das ist so ein paranoides Gefühl und darum geht es in dem Lied.

Du gehst im Oktober auf Tour. Was ist das besondere an deinen Livegigs?

Ich tue mich immer schwer damit zu sagen, bei mir ist irgendwas besonders. Im Endeffekt mache ich mit zwei Leuten einfach Musik, wir sind ein Trio, wie jedes andere auch. Ich mache halt Mucke auf der Bühne, fertig aus. Für mich ist das was besonderes, weil ich mich dabei ausleben kann. Das ist viel intensiver als im Studio. Man schafft das nie, die gleiche Stimmung, die krasse Energie und das Gefühl, das man live hat, im Studio nachzubauen. Ich hoffe einfach, dass es auch für das Publikum einige Momente gibt, die für den Zuschauer besonders sind. Aber das könnten die Leute dann auch nicht beschreiben.

Was ist dein Lieblingsmoment bei Konzerten?

Meistens gibt es so nach zwei Songs einen Moment, in dem es richtig geil wird. Da pendelt sich das Adrenalin dann wieder auf ein normales Level ein. Der erste Moment ist nämlich immer ganz besonders aufgeladen und energetisch. Der Moment ist auch extrem cool. Man will ja unbedingt raus und muss dann so lange warten, bis man endlich auf die Bühne darf. Wenn man dann draußen auf der Bühne ist, ist das auch sehr erleichternd. Natürlich ist auch immer ein toller Moment, wenn man den Song spielt, den man aktuell am schönsten findet.

Gibt‘s ein Konzert, an das du dich immer wieder erinnerst?

So spontan fällt mir das Chiemsee Reggae Summer ein, vor zwei oder drei Jahren. Das war super geil. Wir hatten eine gute Zeit, klatschnass geschwitzt von oben bis unten. Das war auf jeden Fall ein super geiles Konzert. Ich erinnere mich aber auch Akustikkonzerte ein, wo ich ganz alleine war und mir die Leute zwei Stunden lang an den Lippen geklebt haben. Das ist schon was besonderes für einen Künstler. Im Endeffekt schreibe ich das, was mich interessiert und nicht das, was dem Publikum gefallen könnte. Wenn du das dann singst, und die Leute es auch interessiert, ist das natürlich ein Segen.

Spielen wir ein bisschen „Dein/e letzte/r…“. Was war das letzte Album, dass du dir gekauft hast?
Ich weiß gar nicht genau wie es heißt, weil ich es gerade erst heruntergeladen habe. Es ist aber auf jeden Fall von Warpaint. Gleichzeitig habe ich mir aber noch „Viva la Vida“ von Coldplay geholt.

Dein letzter Film?

Das ist schon ein Weilchen her, da muss ich kurz nachdenken. „True Grit“ müsste das gewesen sein.

Dein letztes Konzert, dass du dir privat angesehen hast?


Das war The Tallest Man on Earth.

Fotos: Thomas Schermer

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