Nach dem Festivalkater – Das Fazit zum Hurricane Festival 2015

Nach nicht nur gefühlten 16 Stunden Schlaf bin ich wieder wach. Der Festivalkater vom Hurricane Festival 2015 ist größtenteils auskuriert und es ist Zeit für ein abschließendes Fazit. Alles in allem war das Hurricane Festival 2015 mal wieder ein wirklich schönes, jedoch nicht unbedingt in allen Punkten herausragendes Festival. 

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Wie immer gibt es viel positives, aber auch einige negative Sachen zu erwähnen. Das allgemeine, grundsätzliche Gemotze zur Organisation oder zum Line-Up, was ich bereits in anderen Blogs und Onlinemagazinen gelesen habe, kann ich dagegen nicht pauschal unterschreiben. Das nur vorweg. Wer seinen Lageplan ausgedruckt oder in der App lesen kann, findet sich auch auch auf dem Hurricane-Gelände problemlos zurecht. Wer damit Probleme hat, sollte zurück in den Sachkundeunterricht der 4. Grundschulklasse gehen. Da lernt man sowas für gewöhnlich spätestens.

Allgemein kann man sagen, wer lesen kann ist klar im Vorteil. Die Beschilderung war wie in allen zuvor Jahren klar verständlich, der Presse/VIP Camper gut ausgeschildert (zumindest am Donnerstag gegen 19.30 Uhr), die Duschen dort so heiß wie noch nie, die Ordner eigentlich immer freundlich (auch in Extremsituationen, dazu später mehr) und die Anweisungen, wo man seine Bändchen (egal ob nun Club Ticket, VIP, Presse, Foto, etc.) abholen kann, relativ unmissverständlich. Gut, nun hole ich bereits seit 5 Jahren regelmäßig Foto/Presse/Club-Bändchen an den etwaigen Gästelisten-Check-Ins in Scheeßel ab und kenne den Weg zu den richtigen Campingplätzen. Aber auch bei den ersten Malen gab es da nie Probleme.

Bargeldlos
Vermutlich habt Ihr schon an vielen Stellen gelesen, dass am Donnerstag unglückliche Internetprobleme das bargeldlose Zahlungssystem zunächst lahmgelegt hatten, was zu teilweise chaotischen Zuständen beim Einlass und auf dem Campingplatz führte. Wir haben davon erst am Donnerstag gegen Mitternacht etwas mitbekommen, als wir die endlos langen Schlangen vor den Infopoints gesehen haben, wo sich die braven Hurricane-Besucher, die zuvor zu Hause bereits ihre Bezahlchips aufgeladen hatten, ihre Bändchen erst einmal wieder freischalten mussten. Das ist wirklich ärgerlich, besonders weil ein ähnlicher Versuch 2012 ja schon einmal gescheitert ist.

Auf der Pressekonferenz erklärte der Veranstalter, dass das Zahlungssystem zuvor von FKP Scorpio bereits auf vier anderen Festivals in den Niederlanden und Schweden getestet worden war, und dort zu keinerlei Problemen geführt hatte. Es handelt sich beim neuen System übrigens um ein komplett anderes als 2012. Das nur nebenbei. Dass die notwendige Internetverbindung also genau zum Einlass wieder zusammenbrechen würde, war bestimmt nicht vorherzusehen.

Allem Ärger zum Trotz, funktionierte das System später in den meisten Fällen wirklich reibungslos und selbst die in den Vorjahren so geliebt verhasste Endlosschlange vor der Handbrotzeit, bewegte sich im Vergleich wirklich rasend schnell. Fünf Minuten statt 15 Minuten anstehen kann ich gut verkraften. Nicht nach Kleingeld kramen oder sich um seinen Geldbeutel sorgen zu müssen, ist überaus komfortabel und beruhigend. Eine etwas frühere Ankündigung wäre sicherlich hilfreich gewesen, um bei den Besuchern etwas mehr Vertrauen und weniger das Gefühl der Chip-Diktatur zu generieren. Wenn die Internetfunkstrecke dann im nächsten Jahr direkt funktionsfähig eingerichtet wird (Hallo Deutsche Telekom!), ist das auf jeden Fall eine der besten Neuerungen des Festivals.

 

Hurricane Festival App
Ich hätte nicht gedacht, dass ich tatsächlich einmal eine Smartphone App nutzen würde, um mich auf dem Hurricane Festival zu orientieren. Bisher war ich nämlich ein großer Verfechter der ausgedruckten Programmpläne. Das ist jetzt definitiv vorbei. Die App hat mir brav erzählt, wer gerade auf welcher Bühne spielt, mir Push-Mitteilungen zu möglichen Unwettern geschickt und mir erklärt, wo und wie ich mein Restguthaben von meinem Chip wieder runterbekomme. Dazu ist die GPS-Navigation auf den Gelände- und Campingplatzkarten nahezu genial. Save a tree, nutzt die App!

Bühnen
Es mag mir nur so vorkommen, aber es scheint so als würden die Barriers vor der Green Stage jedes Jahr breiter und die Wege in die ersten Wellen immer länger. Ähnlich bei der Blue Stage. Das trägt allerdings auch definitiv zur Sicherheit mit bei. Kein Vergleich zum Gedrängel und Gequetsche bei meinem ersten Hurricane-Besuch vor 10 Jahren. Die klare Beschilderung für Ein- und Ausgang jeweils an den ersten Wellen ist ebenfalls sicherlich hilfreich. Früher quetschte man sich halt eben da durch, wo der geringste Widerstand war, egal auf welcher Seite und manchmal eben auch gegen den Strom.

Das dynamische Einlass-System, das definitiv Panikattacken verhindert und einen gemütlichen Zugang (sofern denn Platz ist) in den Bereich direkt vor der Bühne ermöglicht, funktionierte auf dem Hurricane Festival an allen Bühnen so gut wie immer reibungslos.

Naja, fast zumindest. Für die Red Stage und den benachbarten Ost-Eingang zum Festivalgelände, sollten sich die Veranstalter für das nächste Jahr definitiv etwas neues einfallen lassen. Durch den im Vergleich eher schlauchigen Zuschauerbereich und die ganz am Rand angeordneten Schleusen zu den vorderen Wellen, kommt es bei einem höheren Publikumsaufkommen zu sehr großen Rückstaus, was wiederum zu Folge hat, dass es in der vordersten Welle gefühlt fast leer ist, es in der mittleren Welle dafür aber umso gequetschter zugeht. Im hinteren Bereich kommt dann noch der Soundbrei dazu, der entsteht, wenn die Klänge der Bands auf der Blue Stage sich mit der Red Stage vermischen. Nicht schön. Da ist es dann auch kein Wunder, dass sich der öffentliche Weg zum Osteingang zwischen Bauzaun und Wäldchen zur inoffiziellen Tribüne entwickelt. Der ganze Bereich war am Sonntagnachmittag bei Olli Schulz schon so voll, dass durchfahrende LKW, Traktoren und Rettungskräfte nur schwerlich ihr Ziel erreichen konnten und beinahe zwischen den Menschenmassen steckenblieben… Da ist es dann ebenfalls kein Wunder, dass sich die Polizei am Sonntagabend kurz vor dem Auftritt von Casper so sehr um die allgemeine Sicherheit und Fluchtwegsituation sorgt, dass sie kurzerhand den kompletten Osteingang und alle angrenzenden Wege sperren lies. Für alle arbeitenden Menschen der Presse, Gastro und Crew war das nicht gerade angenehm, da man so zur Abreise einen Umweg von knapp 2 Kilometern zu Fuß in Kauf nehmen musste. Der gesperrte Weg bedeutete eben auch einen erschwerten Zugang zum Park- und Campingplatz.

Der Sound war dagegen auf allen vier Bühnen bestens. Das sah in den vergangenen Jahren auch schon mal ganz anders aus. Dazu die neuen HD-Videowände – Daumen hoch!

Grünes Hurricane
Die Bemühungen des Hurricane Festivals, die umliegende Umwelt zu schonen, sind wirklich bemerkenswert. Gerade wenn man da sonst an die nichtvorhandenen Aktivitäten anderer Großveranstaltungen denkt. Insgesamt wirkte das Hurricane Festival in diesem Jahr wesentlich sauberer und aufgeräumter als in den Vorjahren. Man konnte sich auch am Sonntag noch guten Gewissens auf den Boden setzen, ohne Angst haben zu müssen, mit dem Hintern in einer weggeworfenen Thainudelpfanne zu landen. Eine unermüdliche Müllkolonne marschierte alle drei Tage lang dauerhaft mit Säcken und Zangen bewaffnet über das Gelände und sammelte selbst Strohhalme vom Boden auf. Selbst auf dem „normalen“ Campingplatz schien das sonst so übliche Sodom und Gomorrah wesentlich zahmer auszufallen als sonst. Dazu beigetragen haben sicherlich die Pfandautomaten vor Ort, die „Tausch dich Satt“-Station, die Müllabfuhr und die mittlerweile viel kürzeren Wege zur Müllpfandrückgabe. Ich bin gespannt, was sich die Veranstalter für das kommende Jahr einfallen lassen.

Festival Food
Darüber habe ich am Wochenende schon mehrfach geschrieben. Während ich dem neuen Food Konzept auf Foodtrucks, Streetfood und anderen Nicht-Festival-Angeboten ganz ehrlich zunächst etwas skeptisch gegenüber stand, bin ich heute ein absoluter Fan. Während die „Luxusbuden“ von Tim Mälzer und Co. im vergangenen Jahr doch etwas Fehl am Platz wirkten (frei nach dem Motto „Der Festival-Yuppie soll auch was zu essen finden), ist das neue Konzept in diesem Jahr absolut schlüssig – und vor allen Dingen lecker. Preislich hat sich im Vergleich zu früher nicht viel geändert – im Schnitt zahlt man zwischen 3,50 und 7,50 Euro für ein Gericht – dafür ist die Qualität und die Vielfalt des Angebots einfach unübertrefflich. Nicht mal die gute, alte Mantaplatte habe ich vermisst. Dafür esse ich jetzt frischen Lachsdöner.

 

Es geht ja noch um Musik!
Gut, eigentlich geht man ja wegen der Bands zu einem Festival. Beim Hurricane ist das Drumherum aber inzwischen auch schon fast eine Reise wert. Im Vorfeld wurde das Line-Up vielerorts als das schlechteste seit Jahren betitelt. Zugegeben, die ganz großen Acts haben gefehlt (und waren laut Veranstalter in diesem Jahr einfach nicht zu bekommen), aber dafür waren jede Menge kleiner Acts dabei, das alles wieder ziemlich wett gemacht haben. Dazu noch die wirklich wahnsinnig hochwertigen Produktionen der Headliner (von all dem Licht bin ich immer noch positiv geblendet). Sehr fein!

Schon mehrfach habe ich gelesen, dass sich das Festival doch endlich auf seine Wurzeln zurück besinnen sollte, schließlich sei es ja ein Indie-Rock Festival. Ganz ehrlich, das ist das Hurricane doch schon lange nicht mehr. Spätestens seitdem 2011 die White Stage vornehmlich als Elektro-Bühne eingeführt wurde, hat es diesen strikten Titel verloren. Und das ist auch gut so. Denn wenn man immer nur auf „früher war alles besser“ pochen würde, könnte so ein Festival wie das Hurricane in dieser Größe langfristig nicht überleben. Auch wenn es den Festival-Ultras wehtun mag, Festivals sind inzwischen absolut im Mainstream angekommen, das Publikum ist jünger und hört eben „auch“ andere Musik. Da gehört dann eben im Moment auch Hip Hop dazu. Und wer weiß, vielleicht erlebt der Punk im nächsten Jahr ein Revival.

Meine Highlights waren auf jeden Fall Florence and the Machine, die wie eine Fee barfuß über die Bühne schwebte und mit engelsgleicher Stimme ihre hymnischen Avantgarde-Indie-Popsongs zum besten gab, Marteria (was für ne Show!), Skinny Lister (mein persönlicher Flogging Molly-Ersatz), Katzenjammer, All Time Low, Madsen, Die Antwoord, Adam Angst, George Ezra, Kodaline, East Cameron Folklore, Sunset Sons, The Gaslight Anthem, Placebo, Millencolin, Trümmer, Tonbandgerät, Catfish and the Bottlemen, The Vaccines, Fidlar, Olli Schulz und Of Monsters and Men. Irgendwen habe ich bestimmt noch vergessen.

Insgesamt freue ich mich über die Vielfalt und bin mittlerweile gerne auf einem bunt gemischten Festival anstelle einer musikalischen Monokultur. Die Foo Fighters dürfen nächstes Jahr trotzdem gerne kommen. Dazu Pearl Jam und ich bin ein grinsendes Honigkuchenpferd 😉

 

Und sonst so?

Im Westen nichts Neues. Die Polizei verzeichnete einen deutlichen Rückgang bei den Diebstählen. Am Sonntagmorgen waren gerade mal 20 Delikte angezeigt worden, davon nur vier Taschendiebstähle. Die Zahlen waren in den Vorjahren wesentlich höher.

Wie man sich schon anhand meines Mainstream-Kommentars denken kann, ist das Hurricane auch in diesem Jahr einfach noch etwas mehr Richtung aktuellen Mainstream gegangen. Auch gerade, was das Publikum betrifft. Die richtig krassen Festivalpersönlichkeiten gibt es nicht mehr so viel wie noch zuvor. Klar sieht man hier und da noch ein paar Leute im Karnevalskostüm, aber anscheinend gilt das Motto „Auffallen um jeden Preis“ längst nicht mehr so sehr wie früher. Kaum Morphsuits, kaum Nackte. Und wenn bemalt, dann meist künstlerisch geschmackvoll. Und sonst einfach normal. Ja, das ist schon fast ein bisschen langweilig. Vielleicht sollte ich einfach zum „Protest“ nächstes Jahr wieder mal meine alte Bundeswehrhose rausholen 😉

Ich freue mich auf jeden Fall aufs nächste Jahr. Zwei, drei größere Headliner dazu und noch eine stabile Internetverbindung und alles ist perfekt.

Das nächste Hurricane Festival findet vom 24. bis 26. Juni 2016 statt.

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